Jhereg
sollte sich zumindest noch ein Jahr lang bewähren. Für so ein Vertrauen ist er noch zu neu.«
»Kragar, ich schwöre dir, eines Tages werde ich –«
»Daymar hat sich gemeldet.«
»Was?« Ich beruhigte mich wieder. »Gut!«
Kragar schüttelte den Kopf.
»Nicht gut?« fragte ich. »Normalerweise hätte er unseren Mann nicht so schnell finden können. Hat er seine Meinung geändert und will uns nicht mehr helfen?«
»Nein. Er hat Mellar schon gefunden.«
»Ausgezeichnet. Wo liegt dann das Problem?«
»Das wird dir nicht gefallen, Vlad.«
»Na los, Kragar, raus damit.«
»Der Demon hat sich getäuscht; er ist nicht nach Osten gegangen.«
»Echt? Wohin dann?«
Kragar sackte ein bißchen in seinem Stuhl zusammen. Er legte kopfschüttelnd sein Gesicht in beide Hände.
»Er ist im Schwarzen Schloß«, sagte er.
Langsam, Wort für Wort, begriff ich.
»Dieser Mistkerl«, sagte ich leise. »Dieser gerissene, ausgefuchste Mistkerl.«
Das Gedächtnis der Dragaeraner reicht weit zurück.
Das Imperium besteht seit – ich weiß nicht – irgendwas zwischen zweihundert- und zweihundertfünfzig tausend Jahren. Seit das Gestirn des Imperiums erschaffen worden ist, weit zurück in den Anfängen, führt jedes der siebzehn Häuser ein Geschichtsbuch, und das Haus der Lyorn führt eines über sie alle.
Weil mein Vater mich dazu anhielt, kannte ich die Geschichte des Hauses Jhereg mindestens so gut wie jeder andere Dragaeraner, der in das Haus geboren wurde. Die Bücher der Jhereg neigen, wie ich gerne zugebe, dazu, etwas dürftiger zu sein, als die der anderen Häuser, weil jeder, der ausreichend Einfluß oder Gold besitzt, auslöschen und sogar hinzufügen lassen kann, was er möchte. Nichtsdestotrotz sind sie die Lektüre wert.
Vor ungefähr zehntausend Jahren, fast einen ganzen Zyklus vor dem Interregnum, hielt das Haus der Athyra Thron und Gestirn des Imperiums. Zu jener Zeit beschloß ein gewisser Jhereg aus Gründen, die verloren sind, daß ein anderer Jhereg ausgeschaltet werden mußte. Er heuerte einen Auftragsmörder an, der den Kerl bis zur Burg eines Adligen aus dem Hause der Dragon verfolgte. Nun wäre die Zielperson nach Jhereg-Tradition (aus guten, handfesten Gründen, die ich vielleicht später ausführlich erläutere) völlig sicher gewesen, wenn sie im eigenen Haus geblieben wäre. Kein Auftragsmörder bringt jemanden in dessen eigenen vier Wänden um. Natürlich kann niemand für immer in seinem Haus bleiben, und wenn besagter Jhereg sich so hätte verbergen wollen, dann hätte er unmöglich sein Versteck verlassen können, weder durch Teleport noch zu Fuß, ohne daß man ihn verfolgt hätte. Möglicherweise hätte er aber gar nicht gewußt, daß er zum Abschuß freigegeben worden war – für gewöhnlich merkt man das erst, wenn es zu spät ist.
Aus welchem Grund auch immer befand er sich jedoch im Haus eines Dragonlords. Der Mörder wußte, daß er keinen Verfolgungszauber um das Haus einer neutralen Person errichten konnte. Diese würde es bemerken und sich unweigerlich beleidigt fühlen, und das wäre für niemanden gut.
Kein Gesetz der Jhereg aber sagt, daß man jemanden in Frieden lassen muß, nur weil er mal bei einem Freund hereingeschneit ist. Der Killer wartete so lange, bis er sicher war, daß sein Mann nicht gleich wieder gehen wollte; dann überwand er die Verteidigungsanlagen des Dragonlords und kümmerte sich um seinen Auftrag.
Und dann öffneten sich die Pforten des Todes.
Die Dragon, so schien es, hatten etwas gegen Auftragsmörder, die ihr Geschäft an Gästen vollzogen. Sie verlangten eine Entschuldigung des Hauses Jhereg und bekamen auch eine. Dann verlangten sie den Kopf des Mörders und bekamen statt dessen den Kopf ihres Boten in einem Korb.
Die Jhereg argumentierten, die Beleidigung sei doch gar nicht so schwerwiegend gewesen. Schließlich hatten sie nicht das Gehirn des armen Wichts zerstört oder sonst etwas getan, das ihn nicht wiederbelebbar gemacht hätte. Sie hatten den Dragon doch bloß eine Nachricht geschickt.
Die haben die Dragon auch erhalten, und sie haben eine eigene zurückgeschickt. Irgendwie hatten sie den Auftraggeber ausfindig gemacht. Einen Tag, nachdem sie ihren Boten zurückbekommen hatten, überfielen sie das Haus dieses Mannes. Sie brachten ihn um, sie brachten seine Familie um, und sie brannten sein Haus nieder. Zwei Tage darauf fand man den Thronfolger der Dragon vor dem Palast des Imperiums, und er hatte einen zehn Zentimeter langen
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