Jhereg
ganze Problem nicht, richtig? Und soweit ich mich erinnere, hält dein Eid niemanden davon ab, dich anzugreifen!«
Morrolans Knöchel traten weiß hervor, als er Schwarzstab packte. Loiosh versteckte sich unter meinem Mantel. Das gleiche hätte ich auch am liebsten getan.
»So ist es«, sagte Morrolan ruhig. »Dann greif doch an.«
Da sprach, mit sanfter Stimme, Sethra zum ersten Mal. »Muß ich an die Regeln für Gäste erinnern, Aliera?«
Sie antwortete nicht. Sie hielt ihr Schwert in der Hand und starrte Morrolan böse an. Da fiel mir auf, daß sie ihn überhaupt nicht angreifen wollte; sie wollte, daß er sie angriff. Ihre nächste Äußerung überraschte mich nicht.
»Und die Regeln für Gäste«, sagte Aliera, »gelten bei allen Gastgebern. Selbst dann, wenn sie behaupten, Dragon zu sein, aber nicht den Mut aufbringen, eine Beleidigung gegen uns alle zu rächen.«
Das hätte beinahe funktioniert, doch Morrolan bremste sich. Sein Tonfall war so kalt wie ihre Augen. »Du kannst dich glücklich schätzen, daß ich meine Regeln habe und daß du genauso ein Gast bist wie dieser Jhereg, obgleich es offensichtlich ist, daß er weit mehr über die Höflichkeit weiß, die ein Gast seinem Gastgeber schuldet, als du.«
»Ha!« schrie Aliera und zog Wegfinder.
»Oh, Scheiße.« Das kam von mir.
»Also schön, Morrolan, dann entbinde ich dich von deinem Eid, soweit er mich betrifft. Es spielt sowieso keine Rolle, weil ich lieber ein toter Dragon bin als ein lebendiger Teckla!« Wegfinder stand wie ein dünner grüner Lichtstrahl in der Luft und pulsierte sachte.
»Dir scheint nicht klar zu sein, liebe Cousine, daß du über meinen Eid keine Gewalt hast.«
Da stand Sethra auf. Den Göttern des Jüngsten Gerichts sei Dank, sie hatte Eisflamme nicht gezogen. Ruhig trat sie zwischen die beiden. »Ihr habt beide verloren«, sprach sie. »Keiner von euch hat die Absicht, den anderen anzugreifen, und das wißt ihr beide. Aliera möchte, daß Morrolan sie umbringt, damit ihre Ehre erhalten und sein Eid gebrochen würde, denn dann kann er auch gleich weitermachen und Mellar umbringen. Morrolan möchte, daß Aliera ihn umbringt, dann ist sie es, die die Regeln für Gäste bricht, und sie kann danach auch Mellar erledigen. Allerdings habe ich nicht die Absicht zuzulassen, daß einer von euch getötet oder entehrt wird, also laßt die Provokationen bitte sein.«
Einen Moment lang blieben sie so stehen, dann ließ Morrolan den Anflug eines Lächelns über seine Lippen ziehen. Auch Aliera lächelte. Aus meinem Mantel lugte Loiosh hervor und setzte sich dann wieder auf seinen Platz auf meiner rechten Schulter.
Sethra wandte sich an mich. »Vlad«, sagte sie, »es stimmt doch, daß du –« sie hielt inne, überlegte noch einmal und begann erneut »– daß du denjenigen kennst, der Mellar töten soll?«
Ich rieb mir über den Nacken, der, wie ich feststellte, ziemlich verspannt war, und sagte trocken: »Vermutlich könnte ich ihn auftreiben.«
»Schön. Vielleicht sollten wir langsam anfangen, dieser Person mit ein paar Vorschlägen unter die Arme zu greifen, anstatt uns gegenseitig dazu zu bringen, den anderen zu töten.«
Zunächst grollten Morrolan und Aliera bei dem Gedanken, einem Jhereg zu helfen, aber dann stimmten sie zu.
Ich schickte ein kurzes Dankgebet an Verra, weil ich Sethra gebeten hatte, auch bei dem Treffen aufzutauchen.
»Wie lange kann der Mörder denn warten?« wollte Sethra wissen.
Wie zur Hölle konnte sie so viel herausgefunden haben? Das fragte ich mich wohl schon zum millionsten Mal, seit ich sie kennengelernt hatte. »Ein paar Tage vielleicht«, sagte ich.
»Also gut, wie können wir helfen?«
So genau wußte ich das auch nicht. »Mir fällt auch nur ein, was Aliera vorhin gesagt hat – wir verfolgen ihn mit Wegfinder. Das Problem besteht darin, daß wir ihn irgendwie zum baldigen Aufbruch bewegen müssen, natürlich ohne ihn dazu zu zwingen.«
Aliera setzte sich wieder hin, doch Morrolan drehte sich um und ging zur Tür. »Nach reiflicher Überlegung«, erklärte er, »glaube ich, es ist nicht richtig, daß ich dieser Besprechung beiwohne. Ich vertraue darauf«, dabei sah er Aliera eindringlich an, »daß keiner von euch meinen Eid antastet, aber ich halte es nicht für richtig, mich gegen meine Gäste zu verschwören. Ihr entschuldigt mich.« Mit einer Verbeugung verließ er den Raum.
Aliera nahm die Unterhaltung wieder auf. »Du meinst, wir sollen ihn mit einer List zum Gehen
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