Jillian Hunter
drückte.
Die Tür war bereits offen, sodass sie förmlich in das Zim-
mer flog und dabei über den regungslosen warmen Körper stolperte, der auf dem Boden lag. Blind ließ sie sich auf ein Knie herunter, denn dummerweise hingen ihr die Flügel im Gesicht und verdeckten ihr die Sicht.
„Dominic?", flüsterte sie hoffnungsvoll, im Wissen, dass er es natürlich nicht sein konnte.
Ares sprang auf und gab ihr einen nassen, nach Schweine- fleisch duftenden Kuss auf den Mund.
„Igitt. Du hast wieder Wurst gefressen." Sie wischte sich mit den behandschuhten Händen über die Lippen. „Ich neh- me nicht an, dass wir Gesellschaft haben?"
Der Hund stapfte hinter ihr her, als sie aufstand und direkt ins Ankleidezimmer ging, um vergeblich nach einem Zeichen zu suchen, dass Dominic vielleicht gekommen war oder ihr eine Nachricht hinterlassen hatte.
„Er war nicht hier", murmelte sie. „Ich werde mich mit sei- nem dicken Hund trösten müssen."
Sie zog ihre Truhe ans Fenster und setzte sich mit einem nachdenklichen Stirnrunzeln darauf. Wie konnte es ihm nur gelingen, diese Schlacht alleine zu gewinnen? Nein, nicht al- leine. Mit der Hilfe seines besten Freundes. Sie konnte nur beten, dass die beiden so klug waren, wie sie selbst glaubten. Mein Onkel unterrichtete früher einmal Angelos Technik in Venedig. Er brachte mir alles bei, was ich über das Fechten weiß.
Dominics Worte fielen ihr wieder ein, als sie das Kinn nach- denklich auf die Fensterbank lehnte. Sie unterschätzte seine Kraft und Entschlossenheit nicht, aber Sir Edgar hatte die Instinkte eines Mörders und keinerlei Gewissen. Wenn Domi- nic ihn in die Ecke drängte, würde sein Onkel bis auf den Tod kämpfen. Das würden beide Männer. Sie legte die Arme auf die Fensterbank und setzte sich auf der Truhe zurecht, um im Wald und auf Stratfield Hall nach einem Zeichen von ihm Ausschau zu halten.
Was erwartete sie?
Ein Feuerwerk? Ein ehrenhaftes Duell vor dem Ententeich im Morgengrauen? Dominic war inzwischen meisterhaft da- rin, sich in den Schatten zu bewegen. Sehr wahrscheinlich würde er Rache an einem ungestörten Ort üben. Chloe be-
schloss, dass sie beim ersten Anzeichen von Schwierigkeiten irgendeine Ausrede erfinden würde, um direkt zum Herren- haus zu gehen. Ganz bestimmt würde sie sich nicht einfach damit abfinden, zu warten und nichts zu wissen!
Ares machte es sich an ihrer Seite für die gemeinsame Nacht- wache gemütlich. Die ganze Nacht hindurch schlief sie immer wieder für ein paar Minuten ein, dann wachte sie mit klopfen- dem Herzen auf und beobachtete erneut das Anwesen.
Der Morgen brach an, und nichts hatte sich verändert. Es gab auf Dominics Land keinerlei Anzeichen von Unruhe. Die Sonne ging über den vertrauten Steinen von Stratfield Hall auf, die jedes Geheimnis, das sie vielleicht bargen, hüteten.
Sie streckte die verkrampften Glieder aus und erhob sich steif von der Truhe. Es war Sonntagmorgen. Sie sagte sich, dass die Ruhe bedeuten musste, dass alles gut war.
Für Chloe war etwas Beruhigendes an dem vertrauten Durch- einander, das sie erwartete, als sie wenig später in den Sa- lon der Familie kam. Ares hatte offensichtlich einen von Tante Gwendolyns Schuhen gestohlen und versteckt. Tante Gwendolyn, die einen Federhut, ein graues Seidenkleid und eine perlenbestickte Pelerine trug, schickte alle Dienstboten und ihren Ehemann auf die Jagd.
„Du hast mehr Schuhe als jede andere Frau, die ich je ken- nengelernt habe", murmelte Onkel Humphrey. „Von dem Geld, das sie an dir verdient haben, sind alleine in Chistle- bury drei Schuhmacher in Rente gegangen. Warum ist dieser bestimmte Schuh so wichtig?"
Sie rückte eine ihrer Hutfedern zurecht. „Vielleicht ist die- ser fehlende Schuh eine Botschaft von Ares' Herrn. Der Hund wurde vielleicht aus einem bestimmten Grund instruiert, ihn vor mir zu verstecken."
„Eine Botschaft von seinem Herrn?" Sir Humphrey blickte Chloe entgeistert an. „Glaubst du, Stratfield hat nach seinem Tod damit angefangen, Frauenschuhe zu tragen?"
„Vielleicht gibt er mir ein Zeichen", erklärte Tante Gwendo- lyn.
„Ein Zeichen?" Ihr Ehemann schüttelte verwirrt den Kopf. „Mit deinem Schuh?"
„Ja. Ein Schuh könnte ein okkultes Zeichen für den nächs- ten Schritt sein, den ich Stratfields Meinung nach machen muss, um ihm zu helfen."
Sir Humphrey hob die Hände. „Ich wünschte bei Gott, er würde mir helfen. Ein okkultes Zeichen. Ein Schuh."
Pamela steckte den Kopf ins Zimmer. „Wir
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