Jillian Hunter
Leben damit verbracht hatte, für andere zu kämpfen. Er war der letzte Mann auf Er- den, den man als künftigen Duke erkannt hätte, sein Ausse- hen und Benehmen schienen die Gerüchte zu bestätigen, die über ihn in Umlauf waren. Manche dieser wilden Erzählun- gen mussten wahr sein.
Und doch konnte sie nicht umhin, ihn zu mögen. Er war ein Mensch, der einem sofort Vertrauen einflößte, und wenn Domi- nic nur einen einzigen Verbündeten hatte, so war sie froh, dass es Adrian Ruxley war.
Sie riss sich von seinem Anblick los und stellte fest, dass Justin direkt hinter ihr stand. Zum ersten Mal, seit sie ihn kennengelernt hatte, lächelte er nicht, als ihre Blicke sich begegneten, und er wirkte auch nicht jung und sorglos. Ein Angstschauer lief ihr den Rücken hinunter. Er wirkte so unge- wohnt ernst.
„Es ist also wahr", sagte er und schüttelte missbilligend den Kopf.
Chloe blinzelte. Sie schien in der letzten Zeit so viele Ge- heimnisse zu hüten, dass sie langsam den Überblick verlor. „Was ist wahr, Justin?", fragte sie vorsichtig.
„Sie sind in ihn verliebt."
„Äh - in ihn?"
„Ja." Er schnaubte wie ein verwöhntes Kind und nickte in die Richtung des Viscounts. „Versuchen Sie nicht, es zu leug- nen."
Chloe blickte sich beschämt um. Justins Stimme wurde lau- ter. Glücklicherweise standen sie alleine da. „Ich habe ihn heute zum ersten Mal gesehen."
„Was es nur noch schlimmer macht", platzte er heraus, und der Turban seines Sultanskostüms rutschte ihm in die Stirn. „Ich habe Sie verteidigt, Chloe, als alle mich davor gewarnt haben, dass Sie eine schamlose Herzensbrecherin sind."
Ein paar Gäste hatten begonnen, zu ihnen hinüberzubli- cken. Chloe zog in Erwägung, ihn hinter die Topfpalme zu schieben. Hatte sie nicht schon genug Sorgen, ohne dass Jus- tin einen öffentlichen Eifersuchtsanfall bekam?
„Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen, Justin."
Er schob sich den mit Edelsteinen bestickten Turban aus den Augen. „Ich habe Sie gesehen, Lady Chloe Boscastle. Ich habe gesehen, wie Sie sich mit diesem künftigen Duke davon- geschlichen haben."
„Nur zu Ihrer Information - Lord Wolverton hat mich ledig- lich in die Eingangshalle begleitet, als ich dort meinen Fächer holen ging."
„Ha! Sie beide waren lange genug fort, um sonst was zu trei- ben."
„Hören Sie auf, sich wie ein Kleinkind zu benehmen", er- mahnte Chloe ihn leise. „Ich bin nicht mit Lord Wolverton spazieren gegangen." Was die reine Wahrheit war. Sie war mit Dominic unterwegs gewesen, und wenn Justin sich nicht be- herrschte ...
Der bedrohliche Schatten eines Mannes fiel zwischen sie und rettete Chloe davor, Justin einen wohlverdienten Tritt zu geben. Die Unterbrechung wäre vielleicht willkommen gewe- sen, wenn es nicht ausgerechnet Sir Edgars Gegenwart gewe- sen wäre, die Chloe davor bewahrte, in aller Öffentlichkeit gewalttätig zu werden. Sie hätte sich sehr viel lieber hundert Wutausbrüchen von Justin gestellt als diesem widerwärtigen Mann. „Ein Streit unter Liebenden?", fragte der Colonel mit ei-
nem ironischen Lächeln. „Soll ich den neutralen Beobachter spielen?"
Chloe warf Justin einen mörderischen Blick zu. Vielleicht konnte sie aus seinem Anfall ja einen Vorteil ziehen. Solange Sir Edgar hier war, konnte er Dominic nichts tun. „Es war nur ein Missverständnis."
„Darauf wette ich", murmelte Justin, aber offensichtlich war er Gentleman genug, um es dabei zu belassen. „Dann werden Sie beide mich jetzt entschuldigen?", fragte er und trat einige Schritte zurück. „Ich glaube, meine Mutter ruft nach mir."
Sir Edgar blickte mit einem resignierten Seufzer zu Chloe hinunter. „Nun, dies ist nicht London, nicht wahr, meine Lie- be? Diese Landtölpel verstehen nichts von der feinen Kunst gesellschaftlicher Etikette. Ich nehme an, Sie sind es gewohnt, Herzen zu brechen."
Chloe beobachtete Justin, wie er schnurstracks auf eine an- dere Dame zuging und sie zum Tanz aufforderte. Der Schwach- kopf würde offensichtlich nicht lange an einem gebrochenen Herzen leiden. Nun, sie hatte schon immer gewusst, dass sie ein wenig zu wild für ihn war.
„Beabsichtigen Sie, in der nächsten Zeit nach London zu reisen, Sir Edgar?", fragte sie unschuldig und mied seinen Blick. Sie konnte sich einfach nicht dazu überwinden, ihm ins Auge zu blicken. Ihr schauspielerisches Können war nicht gut genug, um ihre Verachtung für ihn zu verbergen.
Er schüttelte den Kopf. „Leider muss ich länger auf dem
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