Jillian Hunter
inzwischen ein ehema- liger Freund? -, musterte ihn unumwunden, und der Blick aus diesen typischen blauen Boscastle-Augen bohrte sich bis in seine Seele. Zwar las Dominic keine mörderische Wut darin, aber die kühle, abschätzige Distanz verunsicherte ihn sehr.
„Heath", sagte er noch einmal und brach damit das Schwei- gen, das zweifelsohne ein Teil der Foltermethoden war, die dazu dienten, seine Verteidigungen zu schwächen. „Es ist lan- ge her."
„Etwas zu lang, wie es scheint." Heath hob die Augenbrauen. „Du warst viel beschäftigt, seitdem wir uns das letzte Mal ge- sehen haben. Erst hast du dich ermorden lassen, und dann hast du in deinem eigenen Haus gespukt, um gar nicht erst von deiner dramatischen Wiederauferstehung zu reden ..."
„Und davon, dass du unsere Schwester ruiniert hast", unter- brach Grayson, den Heaths ironischer Kommentar offensicht- lich ungeduldig gemacht hatte.
Emmas höfliche Stimme gab dem Gespräch eine neue Wen- dung. „Und - bevor wir es vergessen - davon, dass er den Mann zur Strecke gebracht hat, der Brandon und Samuel er- mordet hat. Sie haben ihr Leben bei dem Versuch verloren, einen Verräter dingfest zu machen. Dominic hat das seine ris- kiert, um diese Aufgabe zu vollenden."
„Danke, Emma", murmelte Heath. „Das wirft mit Sicher- heit ein anderes Licht auf Dominic als das des Lebemannes und Schurken, nicht wahr? Dominic, ich habe der Familie die Einzelheiten von Brandons Mord so dargelegt, wie ich sie ver- standen habe. Es war ein wenig komplizierter, die Rolle zu erklären, die du und Chloe in dieser Sache gespielt habt." Tiefes Schweigen fiel über die Versammlung. Eine hohe Standuhr mit Löwentatzen schlug in einer Ecke des Raumes die Uhrzeit. Grayson blickte weg, als versuche er, seine Ge- fühle zu beherrschen. Nur Heath hielt den Blick weiterhin auf Dominic gerichtet, als wäge er die Situation ab.
„Sie hätten uns verständigen können", murmelte Grayson. „Wir hätten Ihnen geholfen."
„Ohne Chloe darin zu verwickeln", fügte Emma beküm- mert hinzu. „Gütiger Himmel, was wäre gewesen, wenn ihr ir- gendetwas Schreckliches zugestoßen wäre? Was, wenn dieser
verrückte Waliser sie in die Finger bekommen hätte, als sie alleine war?"
Dominics Augen blitzten aufgebracht. Die Geschwister konnten nicht ahnen, wie tief ihre Anschuldigungen ihn ver- letzten. Oder wie er und Adrian Chloe ständig beobachtet hat- ten. Es hatte schon beinahe an Besessenheit gegrenzt. Und wenn ihm nur einmal der Verdacht gekommen wäre, dass sein Onkel die Absicht hatte, ihr Schaden zuzufügen, so hätte Do- minic sich sofort zu erkennen gegeben und sein Spiel beendet. Glücklicherweise hatte ihre eigene Klugheit sie daran gehin- dert, irgendein Risiko einzugehen. Er schuldete ihr unendlich viel und liebte sie so sehr.
„Niemals hätte ich Chloe in Gefahr gebracht. Ich hatte nicht die Absicht, sie in meine Pläne zu verwickeln. Aber als ich sie kennengelernt habe ..." Er zuckte hilflos mit den Schul- tern und glaubte, ein belustigtes und mitfühlendes Funkeln in Heaths Augen zu entdecken. Wie konnte er nur erklären, dass es ihm von Anfang an unmöglich gewesen war, Chloe zu widerstehen? In jenen frühen Tagen seiner Genesung war er in seinem Handeln nur den primitivsten Überlebens- und Ra- cheinstinkten gefolgt, fast wie ein Tier. Wenn er Chloe nicht ge- troffen hätte, hätte er sich vielleicht nie von seinem Schmerz und seiner Wut erholt. Er durfte nicht zulassen, dass sie für ihre Rolle bei seiner Erlösung bestraft wurde.
„Ich weiß nicht, wie es passiert ist, aber ich bin bereit, die ge- samte Verantwortung dafür zu übernehmen. Chloe hat nichts Falsches getan."
Grayson schnaubte. „Und Schneeflocken schmelzen nicht in der Sonne. Hören Sie zu, Stratfield, Chloe wurde nach Chis- tlebury geschickt, um dort zu lernen, sich zu benehmen. Ver- glichen mit dem Skandal, in den Sie beide verwickelt sind, wirkt ihr ursprünglicher Fehltritt - dieser Kuss hinter der Kutsche - geradezu lächerlich unschuldig."
„Dann war es vielleicht von Anfang an übertrieben, sie ins Exil zu schicken", wandte Heath nachdenklich ein.
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür. Graysons Frau Jane, die Marchioness of Sedgecroft, trat ein paar Schritte in den Raum hinein. Ihr honigblondes Haar war kunstvoll aufge- steckt und umrahmte ihr Gesicht in weichen Wellen. „Ist das
eine geschlossene Gesellschaft oder darf jeder mitmachen?"
„Komm doch herein, Jane", sagte Heath und
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