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Jillian Hunter

Jillian Hunter

Titel: Jillian Hunter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viel Lärm um Stratfield
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Überraschung gelang es ihm mit Leichtigkeit, sich wieder in die Rolle des Gentlemans zu finden. In den Ritualen

und Traditionen seines alten Lebens war etwas Tröstliches, ebenso wie in der vertrauten Ordnung der Dinge. Er freute sich sogar regelrecht auf den ganzen Zirkus der feinen Ge- sellschaft mit all ihren Frivolitäten. Zumindest vorüberge- hend. In seinem Herzen würde er immer ein Rebell sein, ein zurückhaltender Mensch, der die Gesellschaft einiger weni- ger wahrer Freunde einer überfüllten Festlichkeit vorzog. Er beschloss, dass er dankbar sein musste, dass noch nicht der gesamte ton von seinem Überleben erfahren hatte.
    Doch zunächst einmal war es an der Zeit, hier in London seine aristokratischen Manieren auszuprobieren, egal, wie eingerostet sie waren. Noch nie zuvor hatte er sich einer gan- zen Familie beweisen müssen, noch dazu einer Familie, die so einschüchternd war, wenn man sie beeindrucken musste. Er hatte keine Ahnung, wie er den Boscastles seinen kurzen Aus- flug in der Hölle erklären sollte, ohne dabei wie ein Verrückter zu klingen, oder wie er ihnen verdeutlichen konnte, wie Chloe ihm dabei geholfen hatte zu entkommen. Ihre Brüder hatten die Wahrheit verdient. Sie würden nichts Geringeres von ihm erwarten - und er hatte nicht die Absicht zu lügen.
    Er hoffte nur, dass er den Boscastle-Clan davon überzeugen konnte, sein Augenmerk auf die Zukunftspläne zu lenken, die er geschmiedet hatte, und nicht auf jenes brutale Kapitel in seiner Vergangenheit.
    Ein Diener führte ihn durch die weitläufigen Gänge im Stadthaus des Marquess of Sedgecroft bis zu einem privaten Arbeitszimmer, wo Grayson Boscastle mit dem Rücken zur Tür hinter einem riesigen Rosenholzschreibtisch saß. Sedge- croft war ihm stets als geselliger und fähiger Mann erschie- nen. Seine Neigung zu Ausschweifungen war offensichtlich durch seine Ehe mit Lady Jane Welsham kuriert worden.
    Grayson hob den Kopf im selben Augenblick, in dem Domi- nic in der Tür erschien. An seinem unverhüllt feindseligen Ge- sichtsausdruck war nichts geselliges, ebenso wenig wie an der Art, wie er sich wie ein angriffsbereiter Löwe aufrichtete.
    „Stratfield", sagte er. Sein Blick war so anheimelnd wie ein gefrorener See.
    „Wie geht es Ihnen, Sedgecroft?"
    „Sehr viel besser als Ihnen, wie es aussieht."

Ah, dachte Dominic belustigt, als er sich im Raum um- blickte und Heath und seine Schwester Emma auf strategisch positionierten, zueinander passenden Stühlen entdeckte, die zu beiden Seiten von Graysons Schreibtisch standen. Das also hatte Chloe mit der Spanischen Inquisition gemeint. Er frag- te sich, wann sie die Daumenschrauben auspacken würden. Man musste sich die drei nur ansehen. Unter ihren Basilis- kenblicken hätten die meisten Männer sogar zugegeben, den Papst verführt zu haben.
    „Wo sind Drake und Devon?", fragte er laut. „Bereiten sie die Streckbank für mich vor, oder probieren sie noch die Hen- kersroben an?"
    „Sie halten vor der Tür Wache", erwiderte Grayson trocken und trommelte mit den langen Fingern auf den Schreibtisch.
    „Für den Fall, dass jemand versucht, die Folterkammer zu betreten, oder damit ich nicht fliehe?"
    „Beides."
    Er fühlte sich weniger unbehaglich, als er erwartet hatte. Vielleicht gab es nach seinen vergangenen Qualen einfach nicht mehr viel, was ihn schrecken konnte. Und bestimmt be- gehrte er Chloe genug, um durchs Feuer zu gehen, um sie für sich zu gewinnen. Oder vielmehr am Erschießungskommando vorbei, dachte er ironisch. Der Groll, der in diesem Zimmer gegen ihn in der Luft lag, hätte genügt, um ganz London nie- derzubrennen.
    „Lady Lions, nehme ich an", murmelte er und verbeugte sich vor Emma. „Es ist mir eine Freude, Sie endlich kennenzu- lernen." Er wandte sich um, um den eleganten, hochaufgerich- teten, schwarzhaarigen Mann zu seiner Linken zu betrachten. „Und wie geht es dir, Heath?"
    Grayson starrte ihn nach wie vor an. Sein fester Mund war geschürzt, als unterdrücke er eine unhöfliche Bemerkung. Em- ma, eine sehr zierliche Frau mit rotblondem Haar, räusperte sich, arrangierte ihr Schultertuch neu und durchbohrte ihn dann mit dem verstörendsten Blick, der je in seinem Leben auf ihn gerichtet worden war. Es war eine Mischung aus Freund- lichkeit und tiefer Enttäuschung, wie bei einer Lehrerin, de- ren Lieblingsschüler etwas unaussprechlich Böses getan hatte und die sich jetzt fragte, wie sie damit umgehen sollte.

Und Heath, sein Freund - oder war er

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