Jillian Hunter
Informationen, die ich Dir im Vorangegangenen gegeben habe.
Brandon
Chloe schloss das Buch. Ihre Kehle schmerzte. Ihr war, als könnte sie Brandons Stimme hören. Sie spürte seine Anwe- senheit ebenso deutlich wie zu seinen Lebzeiten.
„Es war eine Warnung, Brandon", flüsterte sie. „Ich fürchte, sie kam zu spät."
Am nächsten Morgen erwachte sie früh und kleidete sich an. Sie verließ ihr Zimmer mit einer Abschrift des Briefes in der Hand. Im Salon fand sie Heath, der gerade in einem Buch über ägyptische Artefakte las.
„Dies ist eine Abschrift von einem Brieffragment, das man in Brandons Sachen gefunden hat. Dominic besitzt das ver- schlüsselte Original."
Heath runzelte die Stirn, als er das Stück Papier überflog. „Hast du das angefertigt?"
„Ja."
„Weiß Stratfield, was da steht?"
Chloe schüttelte den Kopf. „Ich glaube, wir sollten es ihm zeigen, bevor wir abreisen."
„Ich werde ihm die Übersetzung gleich schicken." Er blick- te zu ihr auf. „Durch einen Boten, Chloe."
„Tyrann." Sie beobachtete ihn dabei, wie er das Stück Papier zusammenfaltete und in seine Tasche steckte. „Was denkst du?"
„Ich würde gerne den Rest des Briefes sehen, bevor ich da- rüber ein Urteil fälle."
27. KAPITEL
Dominic war am folgenden Tag früh aufgestanden, um einige längst überfällige Briefe an seine Anwälte und seine persönli- chen Kontakte in London zu schreiben. Sein Onkel hatte be- reits einiges von seinem vermeintlichen Erbe für Möbel sowie für eine Zuckerplantage in Antigua und seine Besitztümer in Indien ausgegeben. Dominics Sekretär würde alle Hände voll zu tun haben, dieses Durcheinander zu entwirren.
Dabei waren geschäftliche Angelegenheiten eigentlich das Letzte, was ihn gerade interessierte. Nach dem Frühstück und einer Rasur beabsichtigte er sofort nach Dewhurst Manor zu fahren, um Chloe zu besuchen, und das ganz sicher nicht, in- dem er durch ihr Fenster kletterte. Er würde formvollendet über die Türschwelle treten und ihr seine Aufwartung ma- chen. Eigentlich hatte er gehofft, sie am Abend zuvor noch zu sehen, aber eine ganze Reihe von Freunden und Bekannten hatte ihn heimgesucht, und er war gezwungen gewesen, sie alle willkommen zu heißen.
Hoffentlich plante Chloe keine große Hochzeit. Er hatte lange genug auf die Erfüllung seiner Wünsche gewartet und wollte sie so schnell wie möglich zur Frau. Ihre Familie von seinen guten Absichten zu überzeugen war eine andere Sa- che.
Er legte seinen Stift nieder, als ein Lakai an der Tür zu seinem Arbeitszimmer erschien. „Mylord, ich habe Ihre Bot- schaft nach Dewhurst Manor gebracht, wie Sie es wollten, aber Sir Humphrey sagte, dass die junge Dame zu seinem Be- dauern abwesend ist."
Dominic stand auf und runzelte die Stirn. „Abwesend? Ist sie vielleicht im Dorf? Oder auf einem Spaziergang?"
„Anscheinend hat man sie nach London gebracht, My- lord."
„London? Hat sie eine Nachricht für mich hinterlassen?"
„Soweit ich weiß, nicht. Aber ihr Bruder hat eine Botschaft hinterlassen. Ich wurde angewiesen, Ihnen dies zu geben." Er reichte Dominic einen versiegelten Brief. „Soll ich hier war- ten, um Ihre Antwort zu überbringen?"
„Nach London? Nein. Bitte gehen Sie."
Er öffnete den Brief. Unwillkürlich bereitete er sich auf schlechte Nachrichten vor.
Stratfield,
Das letzte Mal, als ich Dich sah oder zumindest glaub- te, Dich zu sehen, war bei Deiner Beerdigung. Während ich Dir zu Deiner Wiederauferstehung gratuliere, verur- teile ich zugleich, dass Du meine Schwester verführt hast. Wir sollten uns Wiedersehen, auf meinem Grund und Bo- den und unter meinen Bedingungen.
Im Übrigen lege ich das Fragment von Brandons Brief bei, das meine Schwester entschlüsselt hat. Was für ein tüchtiges Paar Ihr beide doch im langweiligen Chistle- bury wart.
Ich hoffe, dass uns allen keine weiteren Überraschun- gen mehr bevorstehen.
H. B.
Mit einem reumütigen Lächeln faltete Dominic den beige- fügten Brief auf - die Übersetzung von Brandon Boscastles verschlüsselter Nachricht - und las ihn. Es war eine unmiss- verständliche Warnung, und er konnte nicht umhin, sich zu fragen, ob sie an Samuel, ihn selbst oder jemand vollkommen anderen gerichtet war.
Nachdem Edgar tot war, machte es vermutlich keinen Un- terschied mehr. In jedem Fall kreisten Dominics Gedanken um ein dringenderes Problem - eine ungeplante Reise nach London, um sich dort seinem endgültigen Urteil zu stellen.
Zu seiner
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