Jillian Hunter
von Ihnen."
Verdutzt blinzelte Justin zum Fenster hoch. „Was, in Gottes Namen, ist mit Ihrer Stimme passiert, Chloe? Sie hören sich sehr eigenartig an. Werden Sie wieder krank? Glauben Sie, dass es ansteckend sein könnte?"
„Ja. Ja, ich bin krank, mein Lieber", trällerte Dominic und winkte mit den Fingern aus dem Fenster. „Ich bin mir sicher, dass es überaus ansteckend ist."
„Sie haben nicht krank gewirkt, als ich Sie geküsst habe, und außerdem ist meine Gesundheit so robust wie die eines Pferdes. Erlauben Sie mir wenigstens, einen Blick auf Sie zu werfen, bevor ich gehe."
„Oh, gütiger Himmel, nein, Justin, Sie böser Junge! Ich ha- be gerade mein Nachthemd angezogen. Wirklich, ich bin über- haupt nicht schicklich gekleidet."
Lord St. John drückte die Hand in einer melodramatischen Geste auf die Brust. „Ich weigere mich, diese Stelle zu ver- lassen, bis Sie mir einen letzten Blick gestatten." Er grinste jungenhaft. „Pamela sagte, Sie haben einige interessante Klei- dungsstücke in Ihrer Truhe."
Dominic knirschte mit den Zähnen. „Wenn Sie mit Ihren Possen alle aufwecken, wird es Ihr letzter Blick sein, das schwöre ich Ihnen."
Justin stampfte in gespielter Leidenschaft mit dem Fuß auf. „Ich werde nicht gehen. Stattdessen werde ich einen großen, bösen Wutanfall bekommen, bis Sie klein beigeben. Außer- dem mag Ihre Tante mich sowieso."
„Ich mag Sie jedenfalls nicht", flüsterte Dominic. Es war wirklich geradezu beleidigend. Fand Chloe dieses lästige Kind tatsächlich anziehend? Sie hatte den Narren geküsst?
„Was ist, Chloe? Ach, kommen Sie schon. Ich bitte Sie doch nur um einen kurzen Blick, damit ich von etwas Schönem träume. Das wird niemandem wehtun."
„Zur Hölle", sagte Dominic und schnappte sich aus einer von Chloes Truhen eine Nachtmütze mit Rüschen. Er zog sie tief in die Stirn, dann griff er nach einem rosa Schultertuch aus Seide und warf es sich um die breiten Schultern.
„Ich warte, Chloe", flüsterte Justin störrisch.
Dominic lächelte böse, steckte den Kopf wie eine Schild- kröte durch die Vorhänge und verschwand ebenso schnell wie-
der im Zimmer. „Da. Sind Sie nun zufrieden?"
„Das war geschummelt, Chloe", beschwerte Justin sich. „Ich konnte außer einem großen rosa Fleck nichts erkennen."
„Süße Träume, Justin", murmelte Dominic und schloss die Vorhänge wieder.
Er entledigte sich der Mütze und des Tuches und wandte sich zur Tür um. Auf dem Flur vor dem Schlafzimmer waren leichte Schritte zu hören. Jemand drehte den Türknauf, und er erkannte Chloes Stimme, als sie wütend etwas über unkul- tivierte Landhäuser murmelte, während sie mehrmals gegen die verzogene Tür drückte.
Er stand im Ankleidezimmer und war sich seiner selbst plötzlich sehr unsicher. Wie würde sie reagieren? Mit welcher Entschuldigung konnte er seine Anwesenheit hier erklären? Die Wahrheit über sein Verlangen und seinen Hunger wür- de sie vielleicht ängstigen. Ihn jedenfalls ängstigten seine überwältigenden Gefühle für sie. Er konnte ihr nichts ver- sprechen. Nicht die Zukunft, die ihre Familie sich für sie wünschte. Kein süßes Werben. Im Augenblick eigentlich über- haupt keine Zukunft.
Er hatte ihr nichts zu bieten als Schwierigkeiten.
Sobald Chloe die Tür öffnete, lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Jemand war in ihrem Zimmer. Es war nicht Devon, den sie unten bei ihrem Onkel zurückgelassen hat- te. Es war auch nicht der Hund, der scheinbar eine Vorliebe für ihr Bett entwickelt hatte. Die feinen Härchen in ihrem Nacken sträubten sich. Sie spürte, wie ihr Herz in freudiger Erwartung schneller schlug. Beinahe hatte sie Angst, sich Hoffnungen zu machen. Sie würde es nicht ertragen, wieder enttäuscht zu werden.
„Guten Abend, Chloe", erklang eine männliche, wohlbe- kannte Stimme aus den Tiefen ihres Ankleidezimmers.
Zögernd schloss sie die Tür hinter sich. Sie hatte sich selbst das Versprechen gegeben, ihn zur Hölle zu schicken, wenn sie ihn wiedersah, aber schon beim Klang seiner Stimme begann ihr Entschluss zu bröckeln. All die Stunden der Sorge, des Wartens, des Grübelns, wo er war. Und jetzt klang es, als wäre dieses Monster bei bester Gesundheit!
Es stürzten so viele widersprüchliche Gefühle auf sie ein, dass sie sich kaum beherrschen konnte. Sie wollte ihn an- schreien. Sich ihm in die Arme werfen. Ihn fragen, was er in ihrem Zimmer zu suchen hatte und wo er gewesen war, wäh- rend sie sich vor Sorge
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