Jim Knopf 02 - Jim Knopf und die Wilde 13
und ihre Last noch einmal absetzten, bemerkten sie plötzlich, dass das Licht, das von den Kerzen nur noch schwach zu ihnen herüberdrang, zu flackern anfing.
»Sie gehn aus!«, stieß Jim mit schreckensweiten Augen hervor und wollte hinlaufen. Aber Lukas hielt ihn zurück. »Bleib hier! Sie sind zu Ende gebrannt, daran ist nichts mehr zu ändern. Wenn du jetzt wegrennst, dann verlieren wir uns womöglich in der Dunkelheit. Wir müssen auf jeden Fall zusammenbleiben.«
Noch ein, zwei Augenblicke lang tanzten die Flämmchen in der entfernten Ecke des riesigen Felsensaales auf und nieder, dann wurden sie kleiner und erloschen. Die beiden Freunde hielten den Atem an und vernahmen noch ein leises Zischen, dann umfing sie die ewige Finsternis der untermeerischen Grotte.
»Verflixt und zugenäht!«, knurrte Lukas durch die Zähne und seine Stimme hallte von den steinernen Wänden und Pfeilern wider.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Jim, dem das Herz bis zum Hals schlug.
»Keine Sorge, alter Junge«, sagte Lukas, »für den äußersten Notfall habe ich immer noch ein paar Streichhölzer in der Tasche. Wir werden schon wieder zur Wendeltreppe zurückfinden. Aber ich will vorsichtshalber lieber sparsam damit umgehen. Jetzt wollen wir erst mal die Glaswalze einbauen, dazu brauchen wir schließlich kein Licht.«
Sie hoben mit vereinten Kräften die Last noch einmal hoch und schoben sie in ihre Vertiefung auf dem Boden.
»So, das hätten wir geschafft!«, war Lukas' Stimme durch die Finsternis zu hören. »Und jetzt wollen wir schleunigst an die frische Luft.«
»Pst«, flüsterte Jim. »Hör doch mal, Lukas. Was is' das?«
Beide lauschten. Ein sonderbarer Ton drang an ihr Ohr, ein metallisches Klingen, tief und dunkel wie aus dem Inneren der Erde, das langsam mehr und mehr anschwoll und den Boden erzittern ließ, wie das erzene Dröhnen und Brummen einer gewaltigen großen Glocke.
»Lukas!«, schrie Jim und tastete taumelnd in der Finsternis nach seinem Freund.
»Komm her, Jim!«, rief Lukas durch das Getöse und zog seinen kleinen Freund zu sich heran, wobei er schützend seinen Arm um dessen Schulter legte. So standen sie und warteten ab, was geschehen würde.
Mit einem Mal ließ das unerträglich laute Dröhnen nach. Nur noch ein feines Singen, hoch und gläsern, lag in der Luft und wurde immer feiner und höher. Zugleich aber begann die gläserne Walze zwischen den beiden Eisenwurzeln ein wundervolles, bläuliches Licht auszustrahlen, das die ganze Riesenhöhle erleuchtete. Staunend blickten sich die beiden Freunde um. All die vielen Wände und Säulen der Tropfsteingrotte warfen das bläuliche Licht glitzernd und funkelnd zurück wie Millionen und Abermillionen winzig kleiner Spiegel, sodass man glauben konnte, im Palast der Schneekönigin zu stehen. Nun konnten die Freunde den Eingang in die große Eisenwurzel leicht wieder finden. Sie folgten dem gewundenen Gang, der zum Schacht mit der Wendeltreppe zurückführte. Auch hier brauchte Lukas seine Streichhölzer nicht, denn an den eisernen Wänden und an der Decke liefen ununterbrochen wie in Wellen kleine blaue Flämmchen entlang, kreuzten sich mit anderen Wellen und verschwanden wieder.
Jim hatte zuerst etwas Angst vor diesen Lichterscheinungen, weil er fürchtete sich zu elektrisieren. Aber Lukas beruhigte ihn.
»Es ist nicht gefährlich«, erklärte er, »weil es nämlich kein elektrischer Strom ist, sondern magnetisches Feuer, und das tut dem Menschen nichts. Man nennt es Sankt-Elms-Feuer.«
Als sie den Schacht mit der Wendeltreppe erreichten, fanden sie auch ihn von dem geheimnisvollen bläulichen Feuer erleuchtet.
Wohlgemut machten sie sich an den langen Aufstieg. Lukas als Erster, Jim hinterdrein.
Nachdem sie schon eine Weile schweigend geklettert waren und das Elmsfeuer nicht weniger wurde, sondern eher noch zunahm, meinte Lukas:
»Dieser Magnet muss wirklich ganz unglaublich stark sein.«
»Ja«, antwortete Jim, »ich möcht wissen, ob das Meer leuchten schon funktioniert.«
»Ich hoffe, das tut es«, sagte Lukas.
Sie stiegen weiter Stufe um Stufe aufwärts, immer im Kreis herum. Je höher sie kamen, desto kühler wurde es, denn die Wärme aus dem Erdinneren drang nicht mehr bis hier herauf.
Schließlich erreichten sie wohlbehalten, wenn auch ziemlich erschöpft, die Öffnung des Schachtes und kletterten ins Freie.
Sie blickten sich um, und das Bild, das sich ihren Augen bot, war so überwältigend schön, dass sie lange keine Worte
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