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Joanna Bourne

Joanna Bourne

Titel: Joanna Bourne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Geliebte des Meisterspions
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davonfliegen.
    In ihrer Hand befand sich immer noch Fergusons Besen. Sie verkeilte ihn zwischen den Stäben und versuchte, die schon gelockerte Strebe auszuhebeln. Sie drückte weiter, während sie vor Anstrengung keuchte. Das Blei, mit dem das Eisen im Marmor verankert war, schabte und knirschte. Es bewegte sich.
    Noch ein Versuch. Sie stützte sich mit dem Fuß an der Wand ab und nahm verzweifelt all ihre Kraft zusammen, spannte jeden Muskel an, setzte ihren ganzen Willen ein. Quälend langsam gab das Gitter allmählich nach und verbog sich.
    Noch einmal. Nach Atem ringend setzte sie neu an. Dies war nicht das erste Hindernis, an das sie sich wagte. Wie viele andere auch, ließ es sich – wenn auch zögerlich – letzten Endes überzeugen, Platz zu machen.
    Und noch einmal. Als sie diesmal abrutschte, trat sie zurück. Schnaufend und mit ausgestreckten Händen maß sie die Lücke. Sie war gerade eben groß genug. Männer, die Fenster mit Gittern versahen, hätten nicht glauben mögen, wie wenig Platz man brauchte, um sich hindurchzuquetschen, wenn man klein war und genau wusste, wie man es anstellen musste.
    Zehn Minuten. Jetzt waren schon ganze zehn Minuten vergangen. Eilig warf sie das Kleiderbündel auf den gepflasterten Bereich vor dem Haus hinaus in die Nacht. Ihre Schuhe folgten umgehend.
    Giles und Ferguson hatten die Rahmen zwar von den Glasresten befreit, damit die Glaser gleich am nächsten Tag kommen konnten, doch überall lauerten noch bösartige Splitter. Als sie auf die Fensterbank kletterte, schlitzte sie sich die Innenfläche ihrer Hand auf. Nackt, von Angst getrieben und voller Blut zwängte sie sich durch das Gitter.
    Sie war schon immer schlank gewesen, was sich durch den langen Marsch aus dem Süden Frankreichs noch verstärkt hatte. Trotzdem war es nicht einfach, hindurchzukommen. Eisenharte Kanten zerkratzten ihre Haut, unnachgiebiger Stein und kompromissloses Metall quetschten Muskeln und Knochen. Sie musste jeglichen Gedanken an Schmerz aus ihrem Kopf verbannen.
    Gleich würde Grey aufwachen und das Bett verlassen vorfinden. Noch so ein schmerzlicher Gedanke, der verdrängt werden musste.
    Und dann war sie draußen.
    Mit angezogenen Beinen kauerte sie sich auf das Fensterbrett und stieß sich ab. Vorbei am zur Küche führenden Treppengeländer mit seinen kleinen Eisenspitzen, sprang sie hinaus auf das Pflaster, schlug auf, fing sich dabei mit vorgestreckten Händen ab und rollte zur Seite. In einem Kaleidoskop aus Schmerz schlugen spitze Steine, Glas und scharfe Kanten auf sie ein. Nach einem Überschlag blieb sie flach auf dem Rücken und mit ausgestreckten Armen benommen und halb bewusstlos liegen. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie wieder klar denken konnte. Das Pflaster unter ihrem Rücken war eiskalt. Ihr Körper schmerzte an den unterschiedlichsten Stellen.
    Über ihr erhob sich das Haus in der Meeks Street in den Nachthimmel. Dahinter hing die durchsichtig wirkende Kugel des Mondes. Als sie den Kopf drehte, sah sie die Straßenlaternen als eine lange Reihe von in der Dunkelheit schwebenden Lichtbällen, von denen der nächste immer kleiner als der vorherige war. Sie verschwammen funkelnd in ihren Tränen. Doch zum Weinen hatte sie keine Zeit. Ganz und gar nicht.
    Vierzehn Minuten.
    Mühsam und mit nichts als einer Gänsehaut am Leib, erhob sie sich. Die in dieser Straße stationierten Spione könnten sehen, wie sie – ein zusammengekrümmtes, blasses Gespenst – sich hastig ihre Kleider überzog. Erst das weiße Unterhemd, dann das dunkle Kleid, das sie mit ihrer Umgebung verschmelzen lassen würde. Sie verrenkte sich, um es zuzuknöpfen.
    Jetzt musste sie sich beeilen. Grey würde sie schon suchen. Bestimmt kamen bereits Männer durch diese ordentliche Straße auf sie zugekrochen. Strümpfe. Schuhe. Sie hatte ihre Flucht bis ins letzte Detail geplant. Wenn man eingesperrt war, hatte man viel Zeit zum Pläneschmieden.
    Sie atmete noch einmal tief durch. Die Luft von Meeks Street Nummer sieben roch, wie ein Schlachtfeld, nach Schwefel und Holzkohle.
    Dann rannte sie los, quer über die Straße und auf einen engen Fußweg zwischen zwei Häusern zu. Über den niedrigen Zaun war es nur ein kleiner Hopser, und durch die dahinterliegenden Stallungen gelangte sie zur Braddy Street.
    Dort wurde sie bereits erwartet.
    Sie wich den Männern aus und rannte mit aller Kraft, bis ihre Seiten bei jedem Atemzug schmerzten. Blieb abrupt stehen und schlüpfte in einen Hintergarten. Wurde zu

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