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Joanna Bourne

Joanna Bourne

Titel: Joanna Bourne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Geliebte des Meisterspions
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Reise heimritten. Außer, dass sie seinen Pullover gründlicher gewaschen hätte, damit man seinen Beruf nicht so leicht erraten konnte.
    »Meine Mutter hatte recht.«
    »Ach ja?«
    Sie spürte die unglaubliche Kraft und Geborgenheit, die von Robert ausging. Sicher wie ein Haus – würden die Engländer sagen. Sie gähnte erneut. Es gab keinen wichtigen Grund weiterzureden. Was sie schließlich doch noch loswerden musste, war keine weltbewegende Weisheit. »Sie hat gesagt, dass Männerkörper im Dunkeln alle gleich sind. Ich konnte das damals nicht ganz glauben, aber ich finde, sie hat recht. In Euren Armen zu liegen, fühlt sich erstaunlicherweise genauso an wie bei dem Mann in Frankreich. Warum ist es eigentlich nur Kent?«
    Er umschlang sie noch fester. »Warum ist was nur Kent?«
    »Na, die anderen Grafschaften heißen Yorkshire, Cheshire, Wiltshire oder sonst irgendein ›shire‹. Warum heißt es dann nicht Kentshire?«
    »Es können ja nicht alle Grafschaften auf ›shire‹ enden.«
    »Ach. Das erklärt die Sache natürlich.«
    Sie konnte die Bewegungen seines Atems spüren und seinen Herzschlag hören. Er zog die Jacke etwas höher, damit sie es wärmer hatte. Er hatte ihr das Leben gerettet, und nun war sie müde. Für diese kurze Zeit und in ihren geheimsten Gedanken stellte sie sich einfach vor, sie und Robert wären verheiratet und gerade gemeinsam auf dem Heimweg.

22
    Sie schlief in starken Armen, während Robert und sein Harding sie das letzte Stück nach London brachten, und zwar dorthin, wo sie sicher war, wie er sagte. Sie hatte nichts dagegen.
    In der Morgendämmerung wurde sie von den Geräuschen geweckt, welche die Wagen auf den Pflastersteinen und die Frauen mit den weißen Kopftüchern verursachten, die an ihren Karren standen und Milch verkauften, die sie aus riesigen Kannen schöpften. Der Himmel hatte noch immer eine rosa Färbung, als er sie an Covent Garden vorbeibrachte, was eigentlich gar kein Garten, sondern ein unheimlich großer Markt mit Blumen, Gemüse und in ihren Käfigen klagenden Hühnern war. Dort kaufte er süße Brötchen bei einem Straßenverkäufer, der ihr eines hochreichte, da sie noch immer auf Harding saß. Von dem Englisch, das er sprach, verstand sie kein Wort. Das Brötchen war süß und enthielt Rosinen und Zimt.
    Abseits des Marktes waren die Straßen ruhiger. Robert lenkte Harding in eine lange, gepflegte Häusergasse, die kaum mehr als ein Fußweg war und zu einem Durchgang hinter den Häusern führte, in denen Kutschen und Pferde untergebracht waren, und dann wieder durch Gassen. In ihrem Kopf fand sich kein passender Stadtplan, der diese ganzen kleinen Straßen enthielt. Sie gingen Richtung Westen und Norden, mit der aufgehenden Sonne im Rücken. An den Häusern in dem grünen Viertel, das sie durchquerten, waren die Fenster noch geschlossen und die Vorhänge zugezogen. Die einzigen Menschen, die sie hier trafen, waren zwei mit Körben voller Brot beladene Dienstmädchen.
    »Eure Freunde gehören zur Bourgeoisie.« Sie musterte die ordentlichen Stuckfassaden. »Sie werden nicht unbedingt solche Leute wie uns zu Gast haben wollen, nicht einmal in ihrer Küche, nehme ich an.«
    »Sie werden uns schon reinlassen.«
    Dann behelligte er also seine Familie mit ihr – einen Onkel oder Cousin. Nur innerhalb der Familie konnte er sich eines herzlichen Willkommens so sicher sein. Ab und an bedauerte sie, selber keine Familie zu haben. Maman hatte nahezu gar nichts über ihre oder Papas Vergangenheit erzählt, nicht einmal von der Stadt, aus der sie kamen. Jetzt würde sie es nie erfahren.
    Eine weitere Gasse brachte sie mitten auf eine vornehm wirkende Straße mit umzäunten Linden. Ehrbar und langweilig stand auf jeder Tür geschrieben. An Orten wie diesem hatte sie nur wenig Zeit verbracht. Sie ging nicht davon aus, sich hier wohlzufühlen. Was auch immer er glaubte, aber seine ehrbaren Verwandten würden eine fragwürdige und nicht besonders saubere Frau in ihrem Zuhause nicht willkommen heißen.
    »Da wären wir.« Robert ließ sich vom Hinterteil des Pferdes gleiten. Für eine Wasserratte war er ein sehr geübter Reiter, dachte sie. Eigentlich musste er so steif und müde wie sie sein, doch die Arme, die ihr aus dem Sattel halfen, stützten sie stark wie Äste. Er hielt sie sogar noch fest, als sie bereits wieder Boden unter den Füßen hatte.
    Das Haus war groß, weiß, massiv gebaut … ein reiches Haus in dieser ruhigen Straße. Er band die Zügel an einen

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