Jodeln und Juwelen
genießen unsere Nachspeise. Ich muss sagen, sie sieht
einfach köstlich aus.«
Kapitel
9
Der Kaffee wurde nach alter Sitte und
Tradition im Salon serviert. Emma stellte erleichtert fest, dass Vincent
bereits ein Treibholzfeuer im Kamin angezündet hatte. Gott sei Dank konnte man
die Flammen nicht zwingen, in einem bestimmten Muster zu züngeln, und auch das
salzgetränkte Holz würde nicht in einem vorher festgelegten Rhythmus knistern
und krachen.
Sandy und Bernice hatten das
Kaffeeservice bereits auf den Couchtisch in der Nähe des Sofas gestellt. Die
zierlichen kleinen Tassen waren geformt wie Hibiskusblüten, die sich gerade
öffnen, jede in einem anderen Farbton einer Palette, die von Zartrosa über
Orange und Gelb bis Creme reichte. Ein Gastgeschenk für die Hausherrin, nahm
Emma an. Wahrscheinlich von jemandem, der sich die Mühe gemacht hatte
herauszufinden, was Adelaide wirklich gefiel. Sie reservierte die zartrosa Tasse
für sich selbst und kümmerte sich um ihre Gäste. Oder vielmehr Adelaides Gäste.
Oder, um ganz genau zu sein, Everard Wonts Gäste.
Dr. Wont war im Verlauf des Abendessens
zwar nicht umgänglicher geworden, hatte jedoch zumindest versucht, sich
zurückzuhalten. Momentan wurde kaum noch gesprochen. Selbst Graf Radunov schien
der Meinung zu sein, er habe seinen Charme für diesen Abend versprüht, auch
wenn er Emma hin und wieder ein vertrautes kleines Lächeln zuwarf. Sie bat
Groot und Sendick, neben ihr auf dem Sofa Platz zu nehmen. Sie hatte jedoch
nicht vor, auch nur eine Minute länger mit ihnen zusammen zu bleiben, als
unbedingt nötig war, um der Höflichkeit Genüge zu tun.
Sie war müde, todmüde. Am liebsten
hätte sie die ganze Gruppe kurzerhand in die jeweiligen Hütten verfrachtet und
das Feuer eine Weile ungestört allein genossen. Dann hätte sie sich in ihr
gemütliches Schlafzimmer zurückgezogen und nach Herzenslust geschlafen, ohne
dass jemand im Treppenhaus herumjodelte.
Stattdessen musste sie noch in die Küche,
um herauszufinden, was Vincent mit dem geheimnisvollen Gestrandeten anzustellen
gedachte. Sie war heilfroh, dass der Hausmeister noch nichts von dem
ungebetenen Gast gewusst hatte, als er die Pences angerufen hatte. Er hätte
sich todsicher verpflichtet gefühlt, ihnen alles zu erzählen. Dabei hatten die
armen Leute gewiss auch so schon genug Sorgen. Emma fragte sich, ob Adelaide
wohl noch leben würde, wenn die kleine Party sich auflöste. Mit zunehmendem
Alter lernte man, den Ausdruck zu deuten, den sie im Zelt in Adelaides Gesicht
gesehen hatte. Adelaide war bereit, diese Welt zu verlassen. Und in eine andere
einzugehen, wie immer sie auch aussehen mochte. Emma hatte ähnliche Gefühle
gehabt, seit Bed ihr vorausgegangen war, um es ohne sie herauszufinden.
Allerdings nicht allzu oft, denn sie
hatte sich mit der Zeit daran gewöhnt, nur noch ein halber Mensch zu sein und
ihre andere Hälfte nicht mehr erreichen zu können. Glücklicherweise gab es
immer etwas Neues zu tun, so dass sie ihm nicht ohne weiteres folgen konnte,
und dafür war sie ihrem Schöpfer dankbar. Sobald es die Höflichkeit zuließ,
stellte Emma ihre leere Tasse ab und erhob sich. Ohne sonderliche Anstrengung,
wie sie erfreut feststellte. Die festen Sofapolster waren ein wahrer Segen,
aber Adelaide Sabine hätte sicher niemals freiwillig ein Möbelstück ausgewählt,
aus dem Personen über vierzig nur mit einem Kran hochgehievt werden konnten.
»Wenn Sie mich jetzt bitte
entschuldigen würden, ich muss mich noch mit dem Koch unterhalten, bevor er
Feierabend macht. Hoffentlich schlafen Sie alle gut in Ihrer ersten Nacht auf
der Insel. Ich freue mich schon darauf, Sie morgen beim Frühstück wieder
begrüßen zu können. Wenn Sie die Hausordnung gelesen haben, wissen Sie ja, dass
es zwischen halb acht und halb zehn ein Frühstücksbuffet hier im Haus gibt.
Vergessen Sie nicht, sich ein Lunchpaket geben zu lassen, wenn Sie möchten. Ich
schicke eines der Mädchen, um abzuräumen«, fügte sie noch schnell hinzu, da
eine telepathische Ahnung ihr sagte, dass Mrs. Fath sich besorgt fragte, ob man
von den Gästen erwartete, dass sie beim Spülen halfen.
In der Küche ging es etwas lebhafter
zu, auch wenn Neil, Ted und der Amnesiepatient fehlten. Sandy und Bernice
kümmerten sich, mit reichlich Gekicher, Geplauder und Seifenblasen um den
Abwasch. Vincent und der Koch saßen einträchtig am Küchentisch, vor leeren
Tellern und halbvollen Kaffeetassen. Als sie Emma
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