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Joel 2 - Die Schatten wachsen in der Daemmerung

Joel 2 - Die Schatten wachsen in der Daemmerung

Titel: Joel 2 - Die Schatten wachsen in der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Einmal war Joel hungrig gewesen, und Sara hatte ihm einen Teller voll hingestellt. Beim Essen hatte Joel sich vorgestellt, daß er jetzt etwas aß, das schon auf dem Herd gestanden und gekocht hatte, bevor er überhaupt geboren wurde.
    »Joel«, rief Ludde, »du kannst dir überhaupt nicht vorstellen, wie froh wir sind, daß du nicht verletzt bist.« »Es war wohl ein Mirakel«, sagte Joel ausweichend. In dem Augenblick kam Sara mit einem Tablett durch die Schwingtür. Das Tablett war voller leerer Flaschen und Gläser, überquellender Aschenbecher und klebriger Teller. Joel überlegte rasch, ob er das Tablett überhaupt anheben konnte.
    Sara war stark. Joel hatte einmal gesehen, wie sie sich einen Sack voll Kohlen über die Schulter warf. Obwohl Papa Samuel auch stark war, hatte Joel überlegt, ob Sara nicht noch mehr tragen konnte.
    Alle Kellnerinnen in der Bierstube waren stark, und sie sahen alle gleich aus. Groß und dick und verschwitzt. Außerdem waren sie alle gleich gekleidet, schwarze Röcke und weiße Blusen. Einmal, als Joel in der Küche gewesen war, waren sie alle in einer Reihe zur Schwingtür hereingekommen, und sie waren ihm wie Tiere erschienen. Schwarzweiße Kellner-Elefanten, die aus dem Pilsner-Dschungel getrampelt kamen.
    Mit einem Knall setzte Sara das Tablett ab, und Ludde tauchte sofort mehr Teller und Gläser in sein Abwaschwasser. Ein Teller und ein Glas rutschten vom Tablett und zersprangen auf dem Fußboden.
    Joel traute sich nicht hinunterzuschauen, aus Furcht, er würde in Lachen ausbrechen. Um Luddes Füße herum lag immer ein Haufen von zerbrochenem Geschirr. Damit er sich nicht an den Scherben schnitt, trug Ludde schwarze Galoschen an den Füßen. Aber in den Galoschen trug er keine Schuhe, sondern Pantoffeln. Da Joel nicht sicher war, ob es Ludde gefiel, wenn man über ihn lachte, vermied er es, auf den Fußboden zu gucken. Er blinzelte nur. Und dann mußte er nicht lachen.
    Sara hatte ihm erzählt, daß alles Geld, das Ludde mit dem Verkauf von Pilsner und Gulasch verdiente, für den Kauf von neuem Geschirr draufging. Wenn Sara und die anderen Kellnerinnen ihren Lohn bekommen hatten, genau wie der Rausschmeißer Nyberg, wenn Bier und alle Gulaschportionen bezahlt waren, hatte Ludde gerade noch genug Geld übrig, um neue Teller und Gläser zu kaufen. So ging das nun Jahr für Jahr. Und der Topf mit dem Gulasch stand auf dem Herd und blubberte und kochte vor sich hin.
    »Joel«, sagte Sara fröhlich und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    Wenn sie mich nur nicht umarmt, dachte Joel. Das will ich nicht.
    »Nett, daß du mich besuchen kommst«, fuhr Sara fort und zog ihn an sich und umarmte ihn. Joel versuchte, sich dagegenzustemmen. Aber das half nichts. Sara war stark wie ein Schwergewichtsheber. Sie hätte herumreisen und auf Jahrmärkten als die Starke Sara auftreten können. »Hast du Hunger?« fragte sie. »Möchtest du etwas essen?«
    »Nein«, antwortete Joel. »Ich wollte dich nur besuchen. «
    Noch wußte er nicht, wie er es anfangen sollte, einen Mann für Gertrud zu finden. Er wußte auch nicht, ob Sara ihm helfen konnte. Darum sagte er noch nichts weiter. Während er den Hügel von Simon Urväders Haus hinuntergelaufen war, hatte er darüber nachgedacht, was er eigentlich darüber wußte, wie sich Erwachsene kennenlernten. Alles, was mit Liebe zu tun hatte, war schwer verständlich für ihn. An und für sich wußte er sehr genau, wie man das eine oder andere machte. Hinter der Schule, dort, wo die Mülltonnen standen, hatte Otto sich einmal dazu herabgelassen, Joel und ein paar anderen Jungen zu erklären, wie Kinder entstehen. Joel hatte aufmerksam zugehört, um kein Wort zu verpassen. Zuerst hatte er gedacht, Otto sei verrückt. Sollte es wirklich so zugehen, wie Otto sagte? Und was passierte in Wirklichkeit? Joel war klug genug gewesen, keine Fragen zu stellen. Lange hatte er daran gezweifelt, ob Otto die Wahrheit gesagt hatte. Aber als er dieselbe Geschichte später noch einmal von anderen hörte, war ihm klargeworden, daß es vermutlich keine Lüge war, wie merkwürdig das alles auch klang. Merkwürdig und anstrengend. Er hatte häufig darüber nachgedacht, wieso es eigentlich so viele Kinder gab, wo das Ganze so kompliziert wirkte.
    Joel wußte also eine Menge. Und er wußte auch, wie Küssen ging, wenngleich er es noch an keinem Mädchen ausprobiert hatte, nur an seinem eigenen Spiegelbild. Die große Frage war also, wie sich Erwachsene kennenlernten. Einen

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