JörgIsring-UnterMörd
du das meinst. Niemand ist mir gefolgt. Aber es ist
etwas Schreckliches passiert.«
Krauss spürte, wie sich sein Magen verkrampfte. Er trat in den Raum. »Red
schon.«
Oda schloss die Tür hinter sich. Krauss ging zum Tisch, entzündete eine
Gaslampe. Oda griff sich aus den Vorräten, die sie am Vortag mitgebracht
hatten, eine Flasche Wein, entkorkte sie und goss sich ein Glas ein. Den Inhalt
schüttete sie in einem Zug hinunter, goss sich aber sofort nach. Mit dem vollen
Glas ging sie zu Krauss, setzte sich zu ihm an den Tisch.
»Dahlerus ist schon heute am frühen Morgen nach London geflogen. Er hat
deine Nachricht übergeben, wie du es ihm aufgetragen hast. Aber er wurde
verfolgt.«
Oda nahm einen kräftigen Schluck. Krauss spürte, dass ihm das Herz bis zum
Hals schlug. Er sagte nichts, wartete auf sein Todesurteil.
»Göring hat uns überwachen lassen. Nicht nur durch Kestner und Bredow. Die
anderen Männer haben dich und Dahlerus zusammen gesehen. Göring hat seine
Schlüsse daraus gezogen. Er ist zwar ein Widerling, aber kein Dummkopf.
Außerdem hatte er schon vorher Bensler davon überzeugt, die Seiten zu wechseln.
Göring will Edgar fallenlassen. Bensler hat die Chance, seinen Kopf zu retten,
natürlich ergriffen. Er ist jetzt Görings Mann. Er hat Dahlerus vom Zeitpunkt
seines Eintreffens in London überwachen lassen. Von einem Spezialisten.
Dahlerus trifft keine Schuld.«
Krauss hatte die
Hände zu Fäusten geballt. In seinen Augen standen Tränen der Wut. Er presste
seine Worte zwischen den Zähnen hervor. »Was ist mit Christa und dem Jungen?«
»Bensler hat den
Jungen. Sie sind schon auf dem Weg nach Deutschland, erst per Boot, dann auf
dem Landweg. Es ist nicht ungefährlich, aber machbar. Er versteht sein
Geschäft.«
Krauss starrte
auf die Tischplatte. Er hatte das Gefühl, sein Kopf zerplatze. Sein Körper
zitterte.
»Christa?«
Oda schwieg.
Krauss schrie sie
an. »Was ist mit Christa?« »Sie ist tot. Jeder in dem Haus ist tot. Bensler hat
keine Spuren hinterlassen.«
Krauss knallte bei ihren Worten beide Fäuste auf die Tischplatte und
sprang auf. Er nahm den Stuhl, zerschlug ihn auf dem Boden und warf die Reste
gegen die Wand. Danach krümmte er sich zusammen, den Kopf in die Hände
vergraben. Er sank auf die Knie, schluchzte, stammelte. »Nein, nein, nein ...«
Oda ging zu ihm und
berührte ihn sanft. Er ließ es geschehen, wiegte sich leicht vor und zurück,
Unverständliches vor sich hinmurmelnd. Oda legte den Arm um seine Schultern,
flüsterte. »Du kannst nichts dafür, dich trifft keine Schuld. Das war nicht
vorauszusehen. Du wolltest nur ihr Bestes, sie außer Gefahr bringen ...«
Krauss würgte an seinen Worten. »Nun ist sie tot, sind sie alle tot... Es
ist meine Schuld, ganz allein meine Schuld.«
Er stützte sich mit den Händen auf seinen Knien ab, die Augen geschlossen.
Oda kniete neben ihm, einen Arm um ihn gelegt, ihr Kopf ruhte auf seiner
Schulter. Er drehte ihr leicht das Gesicht zu. Seine Stimme klang wie die eines
anderen Menschen.
»Wie sicher sind deine Informationen?«
»Sehr sicher. Meine Quelle ist absolut zuverlässig. Bensler hat das RA. mit
einem verschlüsselten Funkspruch über den Erfolg seiner Mission informiert. Er
ist mit dem Jungen auf dem Weg nach Deutschland und will so schnell wie möglich
da sein.«
Krauss erhob sich, zog Oda hoch. Zum ersten Mal, seit sie ihm die katastrophale
Nachricht überbracht hatte, sah sie sein Gesicht. Seine Augen hatten sich
verändert. In ihnen tobte der Hass. Oda erschrak. Aber sie hatte vom ersten
Moment an gewusst, welche mörderischen Gene in ihm schlummerten. Dieselben, die
auch Edgar zu seinen furchtbaren Taten trieb.
Krauss' stechender Blick konzentrierte sich auf sie. »Wir müssen Bensler
abfangen. Bevor er Göring den Jungen übergibt. Wie und wo wird das geschehen?«
Oda zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht.«
Krauss packte sie, schrie sie an. »Wo wird das
geschehen?«
Oda riss sich los, schrie zurück. »Ich weiß es nicht. Ich habe dem Jungen
nichts angetan, vergiss das nicht. Wenn du jemandem wehtun willst, dann suche
dir die Richtigen aus. Ich überbringe nur die schlechten Nachrichten.«
Krauss drehte sich weg. Er stöhnte, rieb sich mit den Händen durchs
Gesicht. Er sprach von ihr abgewandt. »Entschuldige bitte. Ich bin einfach am
Ende. Das hätte alles nicht passieren dürfen. Und es ist alleine meine Schuld.
Ich hätte in England bleiben müssen, um Christa und den Jungen zu
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