Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

JörgIsring-UnterMörd

Titel: JörgIsring-UnterMörd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
interessiert mich der Junge kaum noch. Hitler hat
ihn längst vergessen, glaube ich. Wie alt ist der Bursche jetzt? Fünf, sechs?
Die prägenden Jahre sind fast vorbei. Die Zeit, in der man die Grundlagen hätte
legen können für einen großen Geist. Jetzt ist er verdorben durch den üblichen
Klimbim. Das kriegt man nie wieder richtig raus. Führer-Gene hin oder her. Es
war ein misslungenes Experiment, nicht mehr. Wahrscheinlich sieht es der Führer
genauso. Ich möchte nur noch, dass der Junge in die Hände gerät, in die er
gehört. Er wird hier so normal aufwachsen wie dort, wo du ihn versteckt
hältst.« Edgar zuckte mit den Schultern. »Und wenn nicht, ist das auch nicht
weiter schlimm. Dann wächst irgendwo ein Mensch heran, der sich zu Höherem
berufen fühlt, wenn er erwachsen ist. Vielleicht wird er ja Dachdecker.«
    Der Chef der »Söhne Odins« schmunzelte und drückte seinem Bruder die Waffe
unters Kinn. Grünberg kicherte vernehmlich.
    »Trotzdem solltest du mir sagen, wo ich den Burschen finde. Sonst fällt er
in ein paar Jahren als Unbekannter vom Dach, wer weiß.«
    Krauss betete, die Kugel möge ihm den Kopf zerfetzen. Er wartete mit
geschlossenen Augen auf den Knall, versuchte, sich Hannas lächelndes Gesicht
vorzustellen. Unter seinem Kinn klickte es.
    Edgar lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Da müssen wir wohl stärkere
Geschütze auffahren, was? Ich hoffe aber, es hat dir genauso viel Spaß gemacht
wie mir.«
    Er klappte die
Trommel des Revolvers auf und hielt sie vor Krauss' Augen senkrecht in die
Höhe. Alle Kammern waren leer. Edgar beugte sich vor und flüsterte
theatralisch. »Die Welt der Magie steckt voller Überraschungen.« Er griff mit
der Linken hinter das rechte Ohr seines Bruders und zauberte eine Patrone
hervor, die er übertrieben stolz nach allen Seiten präsentierte.
    Grünberg applaudierte, die Frau zeigte keine Reaktion.
    »Meine Damen,
meine Herren, dieses war der erste Streich, doch der zweite folgt sogleich.
Bruderherz, mach dich bereit für die Wunder der Manege.«
    Edgar verließ den
Raum, Grünberg und die Frau folgten ihm. Die Tür knallte ins Schloss. Krauss
versuchte, sich auf seine Atmung zu konzentrieren. Er musste seine innere
Mitte finden, um das durchzustehen, was noch auf ihn wartete. Edgars selbstverliebte
Vorstellung war nur der Anfang. Sein Bruder genoss es, andere Menschen zu
quälen. Krauss beherrschte einige Techniken, sich mental zu verschließen, aber
er wusste, dass es schwer werden würde. Edgar kannte seine Schwachstellen, das
war das Problem.
    Die Tür öffnete
sich wieder. Grünberg rollte ein hüfthohes Fass in den Raum und stellte es in
einer Ecke ab. Edgar kam hinterher, stellte sich vor seinen Bruder und stemmte
die Arme in die Hüften.
    »Darf ich
vorstellen: Franz Grünberg und sein Wasserballett.« Edgar wies mit einer Hand
auf Grünberg, der gerade einen Schlauch in das Fass hängte.
    Grünberg grinste.
»Ein heißes Bad kann nie schaden, was, Richard?«
    »Mach das Wasser nur nicht zu heiß, Franz. Mein Bruder hat eine
empfindliche Haut.«
    Krauss ahnte, was sein Bruder vorhatte. Ihm wurde schlecht bei dem
Gedanken.
    Edgar bemerkte
den Blick seines Bruders. »Ja, Richard, du liegst richtig. Ich fand es immer
schon merkwürdig, dass einer, der so gut schwimmen kann wie du, sich so vor dem
Ertrinken fürchtet. Aber so war es doch, oder? Du hattest panische Angst davor,
Wasser zu schlucken, nicht wahr? Nun, wir haben gleich ein ganzes Fass für
dich. Du darfst der Sache gleich auf den Grund gehen, nur einen kleinen Moment
noch. Oda!«
    Die blonde Frau, die das Russische Roulette mit angesehen hatte, betrat den
Raum. Sie hatte ein kleines Tablett in der Hand, darauf lagen eine Spritze und
ein Tupfer.
    Krauss zerrte wieder erfolglos an den Riemen. »Was hast du vor, du
Schwein?«
    »Entspann dich, Bruderherz. Du sollst nur etwas lockerer werden. Genieße
Odas heilende Hände.«
    Die Frau namens Oda nahm die Spritze in die Rechte und rieb mit dem Tupfer
über Krauss' Armbeuge. Sie sah ihrem Patienten in die Augen. Ihre Stimme klang
angenehm rauchig.
    »Wenn Sie sich bewegen, könnte ich ihre Vene verletzen. Das möchte ich
vermeiden. Haben Sie mich verstanden?«
    Krauss rührte keinen Muskel. »Spielt das noch eine
Rolle?«
    Oda zuckte mit den Achseln. Sie sah hübsch aus, fand Krauss. Schlankes
Gesicht, hohe Wangenknochen, etwas zu große Nase. Die Haare hatte sie zu einem
Zopf gebunden. Schade, dass darunter ein verrottetes Gehirn

Weitere Kostenlose Bücher