Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)
Hauptverwaltung in Schönhausen war Wenningrode zugeschaltet, außerdem Asspergsprecher Flath und Holtrops persönlicher Referent Dirlmeier. In knappen Worten fasste Holtrop den Tag und die vergangene Woche zusammen. Bedauerlicherweise werde Thewe seine Stelle an der Spitze der Arrow PC und der Mereo Dienste aufgeben, er bleibe der Assperg AG aber in beratender Funktion verbunden. Der Nachfolger werde demnächst benannt. Besonders erfreulich sei das Ergebnis des heute präsentierten Beragberichts für die Securo, dort und bei der Mereo Dienste seien Teams berufen worden, um unter der Leitung von Sprißlers KS die Integration der Konzernsicherheit in allen Teilfirmen zu optimieren. Auch da sei die Assperg AG am Standort Krölpa auf bestem Weg. »Gibt es Fragen?« Ohne zu warten, denn Fragen waren am Ende solcher Rallyetelefonkonferenzen nicht vorgesehen, fügte Holtrop die Formel an: »Ich höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen und verkündet. Schönes Wochenende allen. Guten Abend!« Weg war er. Weg war seine Stimme. Schönhausen verabschiedete sich. Und im Büro von Meyerhill standen sich die verfeindeten Lager noch kurz gegenüber, auf die von Holtrop durchgesagte Version der heutigen Vorgänge jetzt gemeinsam verpflichtet.
Holtrop schaute Frau Zegna imperativ an. »Wie war ich?!« schrie sein Blick. Sie nickte. Eingeschüchtert, angewidert, aber auch bewundernd. Dann erklärte er ihr einige Hintergründe der Thewegeschichte, von der sie allerdings in ihrem Porträt keinesfalls etwas schreiben dürfe. »Aber da kann ich mich doch auf Sie verlassen?« sagte Holtrop. »Natürlich«, antwortete sie routiniert, denn diesen Deal kannte sie schon. Sie kriegte vertrauliche Informationen, er wollte dafür ihre Sympathie. Gleichzeitig streute Holtropso seine Version der Thewegeschichte, er wusste und wollte, dass sie sie weitererzählen würde, mit dem steigernden Interessantizismus ausgeflaggt: Herrschaftswissen, streng geheim! Mit nichts waren die Journalisten besser korrumpierbar. Das war die Basis des Porträtgeschäfts, der Flirt mit der Lüge gegenseitigen Vertrauens. Holtrop war egal, wie all die guten Berichte über ihn zustande kamen. Werbend schaute er Frau Zegna beim Reden in die Augen, auf dass auch sie ihn so erkennen möge, wie er wirklich war.
Sprißler und die Assistenten waren gegangen. Dann war Blaschke aufgestanden und zu Meyerhill an den Schreibtisch gekommen. Neben Meyerhill stand dessen Assistent Zedlitz, er hatte die Personenliste vor sich, die ihm Sprißler übergeben hatte. Blaschke ließ sich die Liste geben. Mit dieser Liste in der Hand rief Blaschke dann nocheinmal bei Holtrop an, um ihm den Unsinn der von Sprißler empfohlenen Personenüberprüfungen darzulegen. Blaschke sah Zedlitz dabei als Zeugen, den Meyerhill zwar dominieren, aber nicht ganz in der Hand haben konnte.
XXI
Die Hypnose funktionierte, Frau Zegna stellte die richtigen Fragen, und Holtrop redete über Assperg, die Weltfirma, den Vorstand, die Kollegen und die Besitzerfamilie, mit genau der Begeisterung, die er für sein größtes Talent hielt. So war er, so wollte er sein und gesehen werden, hingerissen vom Beruf. Holtrop erzählte von den Jahren des Booms und vom Fingerspitzengefühl für die Zeit. Wie die Zeit damals plötzlich so rasend beschleunigt dahingejagt sei. Diesen Puls habe er gespürt und aufgenommen und in Geschäfte transformieren können, weltweit, mit der dazunötigen Portion Glück natürlich. Er zählte die gekauften Firmen auf, die großen Übernahmen, die Deals, Fusionen und Verkäufe, »wird Ihnen schon schwindlig?« sagte er und bleckte die Zähne, »nein, nein«, sagte die vom Zuhören aber doch schon leicht erhitzte Frau Zegna. Für all diese Dinge hätten die Besonderen, die Nervöseren unter den Firmenchefs einen siebten Sinn entwickelt. Das habe er sich bei seinem genialen Vorgänger Brosse abgeschaut, Entscheidungsfreude im richtigen Moment. Aber man müsse natürlich auch zaudern können, hart verhandeln. Niemand habe gerade dafür ein so scharfes Gespür wie der immer noch einzigartig weitsichtige Firmenpatriarch Assperg selbst. Überhaupt sei die Familie Assperg ein Glücksfall für das Unternehmen. »Sie kennen doch die berühmte Geschichte von Friedrich II .?« Der habe nur deshalb so wagemutig und erfolgreich Krieg führen können, weil er selbst König und Heerführer zugleich gewesen sei. In Holtrops Generalstab, im Vorstand, aber auch im Aufsichtsrat, sei das Niveau der
Weitere Kostenlose Bücher