John Corey 03 - Nachtflug
Polizeijargon heißt, mit seiner Büchse am Strand gebumst und möglicherweise einen Videobeweis aufgezeichnet hat, durch den sich der ganze Fall mit einem Schlag wiederaufrollen ließe.
Hinter den Wallinseln war der Atlantische Ozean, wo ich die Lichter kleiner Boote und großer Schiffe sah. Sterne funkelten am Himmel, und im Osten und Westen schwebten die Lichter von Flugzeugen die Küste entlang.
Ich konzentrierte mich auf eine Maschine, die in Richtung Osten unterwegs war, und sah zu, wie sie vis-a-vis vom Smith Point County Park auf Fire Island vorüberflog. Sie war etwa sechs bis acht Meilen vor der Küste und stieg langsam auf etwa zehn- bis zwölftausend Fuß. Etwa dort war TWA-Flug 800 auf der üblichen Flugroute vom Kennedy Airport in Richtung Europa plötzlich mitten in der Luft explodiert.
Ich versuchte mir vorzustellen, was es gewesen war, das mehr als zweihundert Menschen aus dem Wasser aufsteigen und auf das Flugzeug hatten zuschießen sehen.
Vielleicht begegnete ich demnächst einem dieser Menschen -oder jemand anderem.
Ich ging in den Aussichtsturm zurück und setzte mich auf einen Drehstuhl an einen Schreibtisch mit Blick zur Treppe. Nach ein paar Minuten hörte ich Schritte auf den knarrenden Stufen. Aus Gewohnheit und weil ich allein war, zog ich meinen für den Freizeitgebrauch bestimmten 38er Smith & Wesson aus dem Knöchelholster und steckte ihn hinten unter dem Strickhemd in den Hosenbund. Ich sah den Kopf und die Schultern eines Mannes, der die Treppe heraufkam, mit dem Rücken zu mir. Er kam in den Raum, blickte sich um und sah mich.
Selbst in dem schummrigen Licht konnte ich sehen, dass er um die sechzig war, groß und gut aussehend, kurze graue Haare hatte und eine braune Hose und einen blauen Blazer trug. Ich hatte den Eindruck, dass er mal beim Militär gewesen war.
Er ging auf mich zu, und ich stand auf. Als er näher kam, sagte er: »Mr. Corey, ich bin Tom Spruck.« Wir schüttelten uns die Hand.
»Man hat mich gebeten, mit Ihnen zu sprechen«, sagte er.
»Wer?«
»Miss Mayfield.«
Eigentlich war sie Ms. Mayfield, beziehungsweise Special Agent Mayfield und manchmal auch Mrs. Corey, aber dafür konnte er nichts. Jedenfalls war der Typ eindeutig beim Militär gewesen. Vermutlich ein Offizier. Special Agent Mayfield wusste, wie man sich gute Zeugen rauspickt.
Da ich nichts sagte, ergriff er das Wort. »Ich war Zeuge der Ereignisse am 17. Juli 1996. Aber das wissen Sie ja.«
Ich nickte.
»Wollen Sie lieber hierbleiben oder rausgehen?« fragte er mich.
»Hierbleiben. Nehmen Sie Platz.«
Er rollte einen Drehstuhl an den Schreibtisch und setzte sich. »Wo soll ich anfangen?« fragte er.
Ich setzte mich hinter den Schreibtisch und erwiderte: »Erzählen Sie mir ein bisschen was von sich.«
»Na schön. Ich bin ehemaliger Marineoffzier, Marineakademie Annapolis, im Rang eines Captain in Ruhestand gegangen. Ich habe einst F-4 Phantoms geflogen, von Flugzeugträgern aus. Ich habe in drei Dienstzeiten zwischen 1969 und 1972 hundertundfünfzehn Einsätze über Nordvietnam geflogen.«
»Dann wissen Sie ja, wie Pyrotechnik in der Dämmerung über dem Wasser aussieht.« »Selbstverständlich.“
»Gut. Wie sah das am 17. Juli 1996 aus?«
Er starrte durch das Glasfenster in Richtung Ozean und sagte. »Ich war in meinem Sunfish - das ist ein kleines Ein-Mann-Segelboot -, da wir jeden Mittwochabend inoffizielle Regatten in der Bucht veranstalten.«
»Wer ist wir?«
»Ich gehöre der Westhampton Yacht Squadron an der Mönches Bay an - und wir haben gegen acht Uhr abends mit dem Segeln aufgehört. Alle wollten zum Grillen zurück zum Club, aber ich habe beschlossen, durch das Mönches Inlet auf den Ozean zu segeln.«
»Warum?«
»Die See war ungewöhnlich ruhig, und der Wind wehte mit sechs Knoten. Man hat nicht oft solche Bedingungen, bei denen man sich mit einem Sunfish auf den Ozean wagen kann.« Er fuhr fort: »Gegen acht Uhr zwanzig hatte ich die Meerenge hinter mir und war draußen auf See. Ich ging auf westlichen Kurs, an der Küste von Fire Island entlang und vis-a-vis vom Smith Point County Park.«
»Ich muss Sie mal kurz unterbrechen. Haben Sie das auch öffentlich zu Protokoll gegeben?«
»So habe ich es dem FBI erklärt. Ich weiß nicht, ob das öffentlich ist oder nicht.«
»Haben Sie jemals eine öffentliche Erklärung abgegeben, nachdem Sie mit dem FBI gesprochen hatten?«
»Das habe ich nicht getan.« Und er fügte hinzu: »Man hat mir gesagt, ich sollte das
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