John Grisham
mitzuteilen, dass er sich mit den leitenden Anwälten aus der Unternehmenszentrale zu einer abschließenden Erörterung des Vergleichs trifft. Er hat sich entschieden, großformatige Abzüge der Aufnahmen zu zeigen, die ich von der in ihren eigenen Körperflüssigkeiten liegenden nackten Harriet Markle gemacht habe. Außerdem wird er die nachträglich korrigierten Einträge erwähnen, allerdings keine Kopien aushändigen. Damit wird er zwar einen Vergleich erreichen, jedoch auch meine Rolle bei dieser Sache preisgeben. Ich bin der Maulwurf, das Leck, der Verräter, und obwohl mich die Firma nicht gleich rauswerfen wird - dafür wird Dex mit seinen Drohungen schon sorgen -, weiß ich aus Erfahrung, dass es an der Zeit ist, meine Zelte abzubrechen.
Am nächsten Tag ruft mich Dex mit der Nachricht an, man habe sich, selbstverständlich vertraulich, auf eine Vergleichssumme von vierhunderttausend Dollar geeinigt. Das mag angesichts des Fehlverhaltens der Firma und dessen, was für sie auf dem Spiel steht, nach wenig klingen, aber es ist kein schlechtes Ergebnis. Miss Harriet hat kein Einkommen und daher auch keine großen finanziellen Einbußen. Sie wird keinen Cent von dem Geld sehen, aber ich wette, ihre lieben Angehörigen streiten sich schon um die Beute. Meine Belohnung sind zehn Prozent Finderlohn von der Gesamtsumme.
Am nächsten Tag tauchen zwei Männer in dunklen Anzügen auf, und die Angst geht um in Quiet Haven. In Königin Wilmas Büro finden lange Besprechungen statt. Die Atmosphäre ist angespannt. Ich liebe solche Situationen und verbringe einen Großteil des Nachmittags in der Sicherheit von Rozelles Küche, während sich draußen die Gerüchte überschlagen. Da ich ihr eine wilde Theorie nach der anderen auftische, scheinen die meisten Gerüchte in der Küche zu entstehen. Mrs. Drell wird schließlich entl assen und aus dem Gebäude eskortiert. Schwester Angel wird entlassen und aus dem Gebäude eskortiert. Später am Tag hören wir, dass ich gesucht werde, woraufhin ich unauffällig durch eine Seitentür verschwinde.
In einer Woche oder so werde ich zurückkommen, um mich von Lyle Spurlock und ein paar anderen Freunden zu verabschieden. Ich werde mit Rozelle den neuesten Tratsch austauschen, sie umarmen und versprechen, ab und zu vorbeizukommen. Ich werde bei Miss Ruby vorbeifahren, die ausstehende Miete bezahlen, meine Habseligkeiten einsammeln und einen letzten Jim Beam mit Soda auf der Veranda genießen. Der Abschied wird nicht leicht werden, aber ich bin das Abschiednehmen gewöhnt.
So verlasse ich Clanton nach vier Monaten, und während ich Richtung Memphis fahre, kann ich mich einer gewissen Selbstzufriedenheit nicht erwehren. Allein der Finderlohn bedeutet ein gutes Jahr. Mr. Spurlock hat mir praktisch alles vererbt, selbst wenn ihm das nicht klar ist. (Den Confederate Defense Fund gibt es schon seit Jahren nicht mehr.) Wahrscheinlich wird er das Testament bis zu seinem Tod nicht mehr anfassen, und ich werde oft genug vorbeischauen, um dafür zu sorgen, dass das verflixte Ding in der Schublade bleibt. (Ich habe mehrere großzügige Freunde, denen ich regelmäßig einen Besuch abstatte.) Wenn er stirbt - was wir sofort erfahren werden, weil Dex' Sekretärin täglich die Nachrufe liest -, wird seine Tochter anrauschen, das Testament finden und durchdrehen. Sehr bald wird sie Anwälte engagieren, die es in einem hässlichen Verfahren anfechten werden. Sie werden alle möglichen abscheulichen Vorwürfe gegen mich erheben, was man ihnen nicht verdenken kann.
Über die Anfechtung von Testamenten entscheiden in Mississippi Geschworenengerichte, und ich habe nicht die Absicht, mich von zwölf Normalbürgern auf Herz und Nieren prüfen zu lassen und abzustreiten, dass ich mich bei einem alten Mann in seinen letzten Tage im Pflegeheim eingeschleimt habe. Kommt gar nicht infrage.
Wir gehen nie vor Gericht. Wir, Dex und ich, regeln diese Fälle lange vorher. Die Familie kauft sich normalerweise für etwa fünfundzwanzig Prozent des Nachlasses frei. Das ist billiger, als die Anwälte für einen Prozess zu bezahlen, außerdem will sich die Familie nicht unbedingt bei einem Prozess blamieren, wenn es hart auf hart geht und sie dazu befragt wird, wie wenig Zeit sie mit ihrem lieben Verstorbenen verbracht hat.
Nach vier Monaten harter Arbeit bin ich erschöpft. Ich werde ein oder zwei Tage in Memphis, meiner Basis, verbringen und dann nach Miami fliegen, wo ich eine Eigentumswohnung in South Beach habe.
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