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John Grisham

John Grisham

Titel: John Grisham
Autoren: Das Gesettz
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der Highway durchschnitt Felder mit hochstehender Baumwolle und Sojabohnen. Farmer auf grünen John Deeres holperten über die Straße, als wäre sie für Traktoren und nicht für Pkws gebaut worden. Aber die Graneys hatten es nicht eilig. Der Transporter fuhr unbeirrt seinen Weg, vorbei an stillstehenden Baumwollentkörnungsmaschinen und verlassenen Holzhütten, an großen neuen Trailern mit Satellitenschüsseln und Pick-ups vor der Tür und gelegen tlich auch an stattlichen Wohnhäusern, die weiter von der Straße entfernt standen, zum Schutz vor dem Verkehrslärm. In Marks bog Leon nach Süden ab, und sie drangen tiefer ins Delta vor.
    »Ich denke, Charlene wird auch da sein«, sagte Inez.
    »Höchstwahrscheinlich«, meinte Leon.
    »Sie würde sich das um keinen Preis entgehen lassen«, sagte Butch.
    Charlene war Childers' Witwe, eine Frau mit langer Leidensgeschichte, die das Martyrium ihres Mannes mit erstaunlichem Elan zu ihrer Sache gemacht hatte. Sie war jeder Opfergruppe beigetreten, die sie finden konnte, ganz gleich, ob sie auf Staats- oder Bundesebene operierte. Sie drohte der örtlichen Presse und jedem anderen mit Klagen, der es wagte, Childers' Integrität infrage zu stellen. Sie hatte lange Leserbriefe geschrieben, in denen sie forderte, die Todesstrafe an Raymond Graney zügiger zu vollziehen. Und sie hatte in all den Jahren nicht einen Verhandlungstermin verpasst, selbst wenn sie dafür bis nach New Orleans fahren musste, was vonnöten war, als der Fall beim Bundesberufungsgericht für den fünften Gerichtsbezirk der Vereinigten Staaten lag.
    »Für diesen Tag hat sie gebetet«, sagte Leon.
    »Na, dann soll sie mal schön weiterbeten, weil Raymond nämlich gesagt hat, dass es nicht passieren wird«, sagte Inez. »Er hat mir versprochen, dass seine Anwälte viel besser sind als die vom Staat und dass die tonnenweise Schriftsätze einreichen.«
    Leon sah Butch an, der den Blick erwiderte, und schaute dann wieder auf die Baumwollfelder. Sie fuhren durch die Farmsiedlungen Vance, Tutwiler und schließlich Rome, als die Sonne endgültig hinter dem Horizont verschwunden war. Mit der Dämmerung kamen Schwärme von Insekten, die auf Motorhaube und Frontscheibe zerplatzten. Die Graneys rauchten mit geöffneten Fenstern und sprachen wenig. Es schlug ihnen immer auf die Stimmung, wenn sie sich Parchman näherten - b ei Butch und Leon aus offensichtl ichen Gründen und bei Inez, weil sie dadurch an ihre Unzulänglichkeiten als Mutter erinnert wurde.
    Parchman war eine berüchtigte Haftanstalt und zugleich eine Farm mit Plantagen, die sich über achtzehntausend Morgen fruchtbarer schwarzer Erde erstreckten. Jahrzehntelang hatte die Farm durch die Arbeit der Häftlinge Baumwolle hervor- und dem Staat Profit eingebracht, bis die Bundesgerichte sich einschalteten und diese moderne Form der Sklaverei weitgehend abschafften. In einem anderen Verfahren beendete ein Bundesgericht schließlich die Rassentrennung. Diese und andere Urteile hatten das Leben im Gefängnis zwar etwas leichter gemacht, dafür hatte die Gewalt zugenommen.
    Für Leon waren dreißig Monate in Parchman genug gewesen, um ihn für immer zu läutern - so stellten sich gesetzestreue Bürger den Sinn und Zweck eines Gefängnisses vor. Für Butch hingegen war nach der ersten Haft klar gewesen, dass er auch weitere aushalten würde, und fortan waren kein Auto und kein Truck in ganz Ford County mehr sicher vor ihm.
    Der Highway 3 verlief gerade und eben, es gab wenig Verkehr. Es war fast Nacht, als der Transporter das kleine grüne Schild mit der schlichten Aufschrift »Parchman« passierte. Vor ihnen waren Lichter und Bewegungen zu erkennen, Anzeichen für ungewöhnliche Vorgänge. Dort, wo rechter Hand das weiße steinerne Eingangsportal zum Gefängnis aufragte, herrschte auf der anderen Seite der Straße auf einem Kiesgrundstück wildes Durcheinander: Gegner der Todesstrafe hatten sich versammelt. Manche knieten im Kreis und beteten. Andere marschierten in geschlossener Formation herum und hielten handgemalte Transparente für Raymond Graney hoch. Eine weitere Gruppe sang ein Kirchenlied. Eine kniete mit Kerzen in der Hand um einen Priester. Etwas weiter vorn an der Straße skandierte eine kleinere Gruppe von Befürwortern Slogans und Beschimpfungen gegen die Graney-Unterstützer. Deputys in Uniform sorgten für Ruhe. Fernsehreporter zeichneten eifrig alles auf.

Leon blieb am Wachhäuschen stehen, das von Gefängnisaufsehern und nervösen
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