John Medina - 02 - Gefaehrliche Begegnung
am Außendienst. Sie kannte die Verlockungen, widerstand ihnen seit fünf Jahren, doch nun spürte sie die Aufregung wieder im Blut wie eine starke Droge. Sie wusste nicht, ob sie Medina dafür danken sollte, dass er sie wieder mit hineingezogen hatte – oder ihn hassen.
Waren fünf Jahre Buße genug? Nein, nicht einmal hundert Jahre würden reichen, um ihre Schuldgefühle und ihren Kummer über Dallas’ Tod zu beseitigen. Sie stockte ein wenig, als sie daran dachte, wie oft sie miteinander joggen gegangen waren; danach hatten sie sich zusammen geduscht, waren ins Bett gefallen und hatten sich geliebt.
Ob Dallas überhaupt noch Interesse an der Frau hätte, die in diesen fünf Jahren aus ihr geworden war, die Frau, zu der sie sich gemacht hatte? Oder würden ihn ihr Bedürfnis nach Sicherheit und einem geregelten Alltag nicht längst tödlich langweilen? Sie fürchtete, die Antwort zu kennen. Dallas war ein risikofreudiger Mensch gewesen; trotz seiner ruhigen, zurückhaltenden Art war er ein Mann, der Herausforderungen und Gefahr liebte. Wieso hätte er sonst erst SEAL, dann Vertragsagent werden sollen? Was ihn am meisten zu ihr hinzog und sie zu ihm, war das instinktive Bewusstsein, dass sie beide aus dem gleichen Holz geschnitzt waren.
Medina war der gleiche Typ, nur noch mehr als Dallas. Auf einmal schrillten in ihrem Kopf die Alarmglocken. Es war eine Sache, sich wieder in die berauschende Welt der Spionage und Agententätigkeit hineinziehen zu lassen, aber eine ganz andere, Gefühle für einen Mann dieser Profession zu entwickeln. Ein zweites Mal.
Sie würde auf der Hut sein müssen, denn in solchen besonders stressigen Situationen kochten schnell die Emotionen über. Und Medina war ein attraktiver Mann; mehr als attraktiv sogar. Falls er je einmal ganz er selbst wäre, ganz entspannt – er wäre einfach unwiderstehlich. Er kam ihr zwar entspannt vor, doch kein einziges Mal hatte er irgendetwas Persönliches über sich preisgegeben. Sie wusste nichts über ihn.
Während ihres Nahkampftrainings hatte sie bereits die ersten warnenden Anzeichen ihres Körpers gespürt. Eine Frau müsste schon tot sein, um diesen stahlharten, unglaublich durchtrainierten Männerkörper nicht wahrzunehmen, besonders wenn er sich an einen presst.
Hatte sie ihn deshalb vorhin dazu gebracht, sie zu jagen, damit er sie einfing und festhielt? Plötzlich wurde ihr klar, dass sie mit ihm geflirtet hatte. Oh-oh, dachte sie. Sie musste in Zukunft vorsichtiger sein.
Welche Zukunft? Das hier war doch eine einmalige Sache, oder? Sie würden kurz zusammenarbeiten, dann würde sie nach Hause zu ihrem sicheren kleinen Job zurückkehren, und er würde wieder aus ihrem Leben verschwinden.
»Ich glaube, es reicht. Was meinst du?«
Sie warf einen Blick auf die Leuchtanzeige ihrer Armbanduhr. Sie rannten schon seit über einer Stunde. Zum Glück waren sie nicht nur in die eine Richtung, weg vom Haus gerannt, sondern hatten einen weiten Bogen beschrieben und waren jetzt nicht weiter als eine halbe Meile von ihrem Haus entfernt. Ansonsten hätten sie noch eine Stunde für den Rückweg gebraucht. Der Morgen dämmerte herauf, und es war bereits so hell, dass man seine Umgebung deutlich sehen konnte. »Und wenn die Typen von der Agentur noch immer auf mich warten?«
»Das sollten sie auch besser, sonst …« Er beendete den Satz nicht, aber sie konnte sich denken, was er meinte: sonst müssten sie sich nach einem anderen Job umsehen.
»Sie werden dich sehen«, meinte sie.
»Ich nehme einen anderen Weg zurück. Sobald sie gesehen haben, dass du sicher zu Hause bist, werden sie wieder wegfahren.«
»Und was steht heute sonst noch auf dem Programm? Noch mehr Schießübungen?«
»Das und noch ein wenig Nahkampftraining.«
Mit ihren neuen Einblicken in ihre Gefühle war sie sich nicht sicher, ob ein solches Training, bei dem es zu engem Körperkontakt kommen würde, eine so gute Idee war. »Ich dachte, es geht nur um die Vermittlung der Grundlagen.«
»Wir können die Zeit ebenso gut auch nutzen. Wer weiß? Vielleicht bist du eines Tages ganz froh darum. Übrigens, heute kommen ein paar Sachen für dich. Eine neue Garderobe, Schmuck, alles was du so brauchen wirst.«
»Wieso brauche ich eine neue Garderobe?«
»Das gehört zu deinem Cover. Du wirst Botschaftspartys besuchen und dich als Tochter von alten Freunden des Botschafters ausgeben.«
Sie würde also die Tochter aus gutem Hause spielen, dachte Niema belustigt. Auf diesen Teil ihres
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