John Medina - 02 - Gefaehrliche Begegnung
da wurde ihr klar, dass er auf genau so einen Moment gewartet hatte – entweder das oder er hatte das Orchester bestochen.
»Ich dachte schon, Sie würden mich abweisen«, sagte er mit leiser Stimme, während er den Arm um ihre Taille schlang und eine elegante Drehung mit ihr vollführte. Er hielt sie so, dass sie seine Körperwärme, die Bewegungen seiner Beine spüren konnte, aber nicht so dicht, dass sie sich veranlasst sah, vor ihm zurückzuweichen.
»Wollte ich auch.«
Er hob eine schwarze Braue und musterte sie zynisch. »Und warum haben Sie nicht?«
»Weil mir ein Tanz sicher nicht wehtut«, entgegnete sie ruhig.
»Ich Ihnen ebenso wenig.« Er blickte hinab in ihr Gesicht und sagte sanft: »Ich nehme an, Madame Theriot hat Sie vor mir gewarnt.«
»Verständlich, oder nicht?«
»Verständlich, aber unnötig. Ich will Ihnen nichts Böses.«
Darauf sagte sie nichts und ließ sich mit ernstem Gesicht über den Tanzboden führen. Er tanzte mit einer scheinbar mühelosen Grazie, und sie dankte Gott, dass ihre Eltern sie gezwungen hatten, in der Highschool einen Tanzkurs zu machen, obwohl sie viel lieber Gleitschirmfliegen gelernt hätte. Zumindest müsste sie sich jetzt nicht blamieren. Eine Tochter aus gutem Hause – wie sie eine sein sollte –, verstand sich natürlich aufs Tanzen.
Als sie keine Anstalten machte, das Gespräch in Gang zu halten, erkundigte er sich: »Sind Sie nur auf Besuch hier, oder arbeiten Sie in der Botschaft?«
»Ach du liebes bisschen, nein!« Sie wirkte belustigt. »Ich bin nur auf Besuch hier.«
»Für wie lange?«
»Weiß ich noch nicht. Ein, zwei Wochen vielleicht.«
»Das ist nicht sehr lange«, klagte er leise und blickte sie mit einem derart maskulinen Interesse an, dass eine Frau schon hätte blind sein müssen, um es zu übersehen.
»Monsieur Ronsard …«
»Bitte erschrecken Sie nicht. Sie sind eine reizende Frau, und ich würde Sie sehr gerne sehen, solange Sie noch in Paris sind. Das ist alles.«
»Das hätte doch gar keinen Zweck.« Sie wandte den Blick ab und richtete ihn auf einen Punkt irgendwo über seiner Schulter. Ihre Stimme hatte sanft und ein wenig traurig geklungen.
Er nahm sie fester in den Arm, drückte seine Handfläche an ihren Rücken. Ihr Kleid war dort ziemlich tief ausgeschnitten, und seine Finger streichelten über ihre nackte Haut. »Es hat immer Sinn, etwas Schönes zu erleben.«
»Was das betrifft, tauge ich im Moment nicht sehr viel, fürchte ich.«
»Dann müssen Sie eben wieder lernen, wie man Freude am Leben hat.«
Ihre Lippen zitterten, und ein tieftrauriger Ausdruck trat in ihre Augen. Er sah es, wie sie es beabsichtigt hatte. »Vergeben Sie mir meine Ungeschicklichkeit«, murmelte er und senkte den Kopf, sodass sein Mund sich dicht an ihrer Schläfe befand. »Ich wollte Ihnen keinen Kummer bereiten.«
Sie presste wie entschlossen die Lippen zusammen und reckte das Kinn. »Das Orchester ist ziemlich gut, finden Sie nicht? Dieses Stück gefällt mir ganz besonders.«
Er erlaubte ihr, das Gespräch in seichtere Gewässer zu lenken, doch ließ sein Blick ihr Gesicht nicht eine Sekunde los. Louis Ronsard war definitiv auf Eroberungsfeldzug. Bis jetzt, dachte sie, war ihre Vorstellung der Spröden wohl ganz glaubhaft gewesen – spröde, ohne ihn jedoch zu verprellen.
Als der Tanz endete, bedankte sie sich bei ihm und wandte sich zum Gehen. Er schloss sich ihr an. »Waren Sie schon einmal in Paris?«
»Ja, sicher.«
»Ach, ich hatte gehofft, Ihnen die Stadt zeigen zu können.«
»Monsieur …« Sie zögerte, als suche sie nach den richtigen Worten. »Verzeihen Sie, ich will nicht überheblich erscheinen, aber ich bin nicht an einer irgendwie gearteten Affäre interessiert. Selbst wenn Ihre Beschäftigung nicht zwischen uns stünde …«
»Verzeihen Sie mir«, unterbrach er sie, »falls ich Sie in irgendeiner Weise bedrängt haben sollte. Ich würde sehr gerne ein wenig Zeit mit Ihnen verbringen, das stimmt. Ich würde Sie gerne noch einmal zum Lächeln bringen, so wie draußen auf der Terrasse. Eine so reizende Dame wie Sie sollte nicht so traurige Augen haben. Und selbst wenn Sie sagen sollten, nein, ich darf Sie nicht küssen oder mich auf andere Weise an Ihnen ergötzen, würde ich trotzdem gerne mit Ihnen zu Abend essen.«
Seine charmante Ausdrucksweise, besonders das Wort »ergötzen«, brachte Niema so aus dem Konzept, dass ihr ein Lächeln entschlüpfte.
»Aha! Ein Ziel habe ich also schon erreicht.« Er berührte
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