John Medina - 02 - Gefaehrliche Begegnung
ihren lächelnden Mundwinkel zart mit der Fingerspitze. »Ihr Lächeln ist so bezaubernd, wie ich es in Erinnerung hatte. Bitte sagen Sie ja. Nur ein Dinner. Mein Ruf ist bei weitem übertrieben, das verspreche ich.«
Sie blickte suchend in sein Gesicht, als wolle sie herausfinden, ob er die Wahrheit sagte. Endlich sagte sie, ein wenig zögernd: »Ich bin nicht mehr ausgegangen, seit mein Mann …« Sie brach ab und senkte den Blick.
»Ich weiß, dass Sie Witwe sind«, sagte er. »Jawohl, ich habe mich über Sie erkundigt. Ihr großer Verlust tut mir sehr Leid. Wie lange ist es her?«
Fünf Jahre. Die Zahl hallte in ihrem Kopf, und diesmal war der Kummer in ihrem Gesicht nicht geheuchelt. Fünf lange Jahre. »Zwei Jahre«, stieß sie hervor; ihr Hals war wie zugeschnürt. »Die meisten Leute denken, das ist genug Zeit, aber … das ist es nicht.«
Sein Gesicht war sehr ernst. »Ich denke, das Herz hat seinen eigenen Kalender. Sie dürfen sich von niemandem drängen lassen, nicht mal von mir. Ich gebe Ihnen mein Wort, dass ich keinerlei Erwartungen mit dem Dinner verknüpfe. Es wäre lediglich ein gemeinsames Mahl in angenehmer Gesellschaft. Oder wäre Ihnen Lunch lieber?«
Sie tat, als schwanke sie unschlüssig, dann sagte sie leise: »Ja, Lunch wäre …«
»Sicherer?«, schlug er vor.
»Nicht so formell. Weniger wie eine Verabredung.«
Er lachte leise. »Ich verstehe. Also dann, Madam Jamieson, würden Sie nicht mit mir zum Dinner ausgehen? Treffen wir uns stattdessen zum Lunch.«
Sie lächelte zu ihm auf. »Das wäre nett.«
Sobald er in seinem Stadthaus war, rief Ronsard über eine sichere Leitung in seiner Villa an. Cara meldete sich sofort, obwohl es schon spät war, nach ein Uhr morgens.
»Setzen Sie sich an Ihren Computer«, befahl er. »Ich möchte alles haben, was Sie über eine gewisse Niema Jamieson aus New Hampshire herausfinden können. Sie ist Witwe, eine Freundin des amerikanischen Botschafters und derzeit dort zu Besuch.«
»Könnten Sie ihren Namen buchstabieren?«
Ronsard zögerte, dann fiel ihm wieder ein, was sie über ihre Mutter und deren Bemühungen, den Namen »Naomi« umzumodellieren, erzählt hatte. »N-i-e-m-a«, buchstabierte er. »Ende zwanzig, Anfang dreißig. Dunkles Haar, dunkle Augen.«
»Alles klar. Bis wann brauchen Sie’s?«
»Bis morgen früh.«
»Gut. Ich mache mich gleich an die Arbeit.«
Ronsard legte auf und schritt langsam in seinem luxuriösen Schlafzimmer auf und ab. Es war lange her, seit ihn eine Frau so sehr fasziniert hatte, aber das hieß noch lange nicht, dass er jetzt leichtsinnig wurde. Falls Niema Jamieson nicht das war, was sie zu sein schien, würde er es früh genug wissen. Und falls doch, dann freute er sich auf eine vergnügliche Jagd und Verführung. Die meisten Frauen waren letztendlich zu haben; er bezweifelte, dass sie eine Ausnahme bildete.
Er hatte ganz vergessen, wie schön es war, den Jäger zu spielen, dieses Gefühl des Triumphs in dem Moment, als sie endlich bereit war, sich zum Lunch mit ihm zu treffen. Er musste über sich selbst lachen; so ein kleiner Sieg, und er kam sich schon vor wie ein Eroberer. Ja, es würde ihm schon noch gelingen, ein zufriedenes Lächeln auf das Gesicht der Witwe zu zaubern.
Sie war dem Andenken ihres Mannes seit zwei Jahren treu geblieben. Eine solche Treue war in seinen Kreisen eine Seltenheit. Er stellte fest, dass er sie dafür achtete und sie um die Liebe beneidete, die sie gekannt haben musste. Eine solche Liebe war ihm bisher verwehrt geblieben; sicher, er liebte Mariette, und Laure gehörte sein Herz, aber eine atemberaubende, romantische Liebe … nein, so etwas hatte er noch nie erlebt. Leidenschaft, ja. Lust. Besitzgier. Aber nicht Liebe. Er fürchtete, er würde nie jemanden auf diese Weise lieben, dass er zu einer solchen Tiefe des Gefühls gar nicht fähig war. Oder vielleicht war er ja einfach zu vorsichtig, zu misstrauisch. Zu viel stand für ihn auf dem Spiel, er durfte sich keine Schwächen erlauben.
Nicht einmal, wenn es um eine Frau wie Niema Jamieson ging.
15
Um sechs Uhr morgens klingelte das Telefon auf Niemas Nachttisch und riss sie aus einem tiefen Schlaf. Sie rollte sich auf die Seite und tastete fahrig nach dem Hörer. »Hallo.« Sie klang so groggy, wie sie sich fühlte.
Ein unterdrücktes Lachen. »Oha! Schon so wachsam?«
John. Der Klang seiner Stimme richtete komische Dinge mit ihrem Magen an. Sie sank in die Kissen zurück. »Wir Society-Pflänzchen brauchen nun
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