John Medina - 02 - Gefaehrliche Begegnung
sich so einfach verliebt, schon gar nicht auf den ersten Blick. Kommt mir irgendwie untypisch vor für einen Mann, wie Sie einer sind.«
»Ist es auch.« John holte tief Luft. Einen Augenblick lang ließ er es zu, dass all der in fünf Jahren aufgestaute Hunger nach ihr sich Bahn brach und in seinen Augen widerspiegelte. »Ja, das ist es«, wiederholte er. »Stellen Sie mich vor.«
»Ich glaube, das werde ich«, überlegte Ronsard. »Dürfte erheiternd werden.«
Niema sah die beiden großen, breitschultrigen Männer durch die Menge auf sich zukommen. Ronsard sah so attraktiv und lässig-elegant wie immer aus, das lange schwarze Haar offen über Schultern und Rücken fließend, doch es war das geschmeidige Raubtier neben ihm, das ihr den Atem stahl. John wirkte finster und gefährlich, irgendwie anders. Der Blick seiner blauen Augen war wie ein Laserstrahl auf sie gerichtet.
Überrascht, ja, erschrocken wich sie einen Schritt zurück und fuhr mit der Hand an ihren Hals, zu ihrer Perlenkette.
Seit über einer Woche hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Sie war nicht vorbereitet auf die Wirkung, die dieses Wiedersehen auf sie hatte, wie ein Faustschwinger in die Magengrube. Jetzt wurde ihr klar, dass er die ganze Zeit über die enorme, ja gefährliche Wirkung seiner Persönlichkeit unterdrückt haben musste, denn nun strömte sie ihr mit unverhüllter Kraft entgegen.
Sein Blick überflog sie von Kopf bis Fuß, fraß sie förmlich auf, und sie hatte das Gefühl, auf einmal nackt vor ihm zu stehen. Sie versuchte, die Augen von ihm abzuwenden, sich ihre Fassungslosigkeit nicht anmerken zu lassen, aber es ging nicht. Das Blut rauschte ihr singend durch die Adern. Er war hier, und jetzt hatte das Spiel endlich begonnen.
»Niema.« Jetzt standen sie vor ihr, so groß, dass ihre breiten Schultern ihr den Blick auf den Ballsaal nahmen, obwohl sie hohe Absätze trug. Ronsard ergriff ihre Hand und drückte einen sanften Kuss auf ihre Fingerknöchel. »Meine Liebe, das ist Mr. Smith, der mich dringend bat, Ihnen vorgestellt zu werden. Mr. Smith, Niema Jamieson.«
»Niema.« John ließ den Namen förmlich auf seiner Zunge zergehen.
»Mr. – Mr. Smith.« Sie brachte kaum ein Wort heraus. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie warf Ronsard einen hilflosen Blick zu, und dieser schien gar nicht erfreut über ihre Reaktion zu sein. Sie verstand es ja selbst nicht. Sie wusste, dass es John und ihrem Plan gut zupass kam, aber … es war nicht gespielt.
»Joseph«, sagte John.
»Äh … w-wie bitte?«
»Mein Name ist Joseph.«
»Joseph … Joseph Smith?« Blinzelnd versuchte sie, ein wild aufsteigendes Kichern zu unterdrücken. Na, wenigstens nannte er sich nicht Brigham Young. »Sie sind Amerikaner.«
»Ja.« Irgendwie hatte er ihre Hand ergriffen, und sie spürte seine Finger stark und warm und kräftig. »Tanzen Sie mit mir.« Es klang mehr wie ein Befehl als eine Bitte.
Abermals warf sie Ronsard einen hilflosen Blick zu, diesmal jedoch über die Schulter, denn John führte sie bereits auf die Tanzfläche. Er legte nicht einfach nur seine Hand an ihren Rücken, er schlang seinen Arm um ihre Taille und zog sie fest an sich. Mit seiner freien Hand nahm er die ihre und legte sie an seine Brust, wo er sie festhielt. Dann begann er sich mit ihr in einem langsamen Rhythmus zu wiegen, und ihr blieb gar keine andere Wahl, als ihm zu folgen.
Er beugte den Kopf zu ihr herunter. »Ich habe mich auf den ersten Blick in dich verliebt«, murmelte er.
»Ach, tatsächlich?« Bebend versuchte sie einen weiteren hysterischen Kicheranfall zu unterdrücken. »Joseph Smith?« Sie barg ihren Kopf an seiner Schulter, damit man ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen konnte. Gott, ihr war so langweilig gewesen unter all diesen Leuten, mit denen sie nichts gemein hatte, doch nun platzte sie auf einmal schier vor Energie.
»Eigentlich Joseph Temple. Ich habe ihm gesagt, er soll mich als Mr. Smith vorstellen.«
»Temple«, wiederholte sie, um den Namen ja nicht wieder zu vergessen. Sie durfte unter keinen Umständen den Fehler machen und ihn John nennen.
»Wo ist dein Zimmer?«
»Im Ostflügel. Man nennt es das Gartenzimmer, und es hat einen eigenen Balkon.« Sie hatte die Türen gezählt, damit sie ihm ganz genau sagen konnte, wo es lag. »Du gehst die große Treppe rauf, dann den Gang rechts. Nach zehn Türen gehst du nach links, und dann ist es die dritte Tür rechts.«
»Lass die Balkontüren heute Nacht offen.«
»Wieso? Ein Schloss
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