John Sincalir - 0971 - Ein Galgen für Morgana (3 of 3)
bewegte. Er ging einfach nur weiter. Kopf und Kinn gereckt, sich nach jedem zweiten oder dritten Schritt selbst anstoßend, um den Rhythmus der Schritte nicht zu verlieren.
In seinem Innern loderte das Feuer der Gier. Die Handflächen klatschten gegen die schmutzigen Hosenbeine. Der Untote trug noch dieselbe Kleidung, die er auch als Mensch getragen hatte. Die Hose aus festem Drillichstoff, das strapazierfähige Cordhemd, darüber die Weste aus Rindsleder.
Er suchte. Er hielt den Mund offen, wie jemand, der nach Luft schnappte.
Nur braucht ein Vampir nicht zu atmen. Er war eben anders. Es schlug auch kein Herz in seiner Brust, obwohl es noch vorhanden war. Eine sichere Art, um ihn zu vernichten, war der Stoß mit dem Eichenpflock ins Herz oder die geweihte Kugel zwischen die Augen.
Keiner hielt sich in der Nähe auf. Er war allein. Die Dunkelheit schützte ihn, und der Blutgeruch wurde immer kräftiger und intensiver.
Ein Mensch, ein ahnungsloser Mensch. Nahrung für ihn. Kraft, die bald den anderen Körper verlieren und in seinen übergehen würde. Und er würde wieder einen Blutsauger erschaffen, so daß, die Kette der unheimlichen Gestalten einfach nicht abriß.
Die Sohlen schlurften über den Boden. Kleinere Steine wurden nach vorn gekickt. Über den Himmel trieben die Wolken dahin. Dünne Schleier, hinter denen sich der halbe Mond abmalte.
Von der zweiten Gestalt war nichts mehr zu sehen. Sie war zu einem Opfer der Nacht geworden, die er als Vampir so liebte. Er brauchte sie nicht. Sie war anders, obwohl sie wie ein Mensch ausgesehen hatte.
Alles lief richtig …
Das Blut lockte.
Er hatte sich der Quelle bereits genähert. Vor ihm entstand der Schatten der Hütte, wo es sein mußte.
Nur noch wenige Schritte.
Er war vorsichtig. Er horchte. Ein Mensch lebt, ein Mensch kann laufen, er kann sich bewegen. Ein Mensch kann sich auch wehren, was nicht weiter tragisch war, denn er würde immer den kürzeren ziehen, falls er nicht die entsprechenden Waffen besaß.
Mit der linken Schulter schleifte er über die Außenwand der Hütte. Sie wurde von dem Fenster unterbrochen.
Das Glas der Scheibe schimmerte wie dunkles Blei. Der Blutsauger zuckte für einen Moment davor zurück, dann schaute er vorsichtig gegen die Außenseite.
Zu sehen war so gut wie nichts. Das Glas war dunkel, und dahinter lauerte die Finsternis.
Er nahm den Geruch wahr.
Stärker und intensiver als sonst. Er merkte seine Unruhe so stark in sich hochsteigen, daß er sich selbst nicht mehr beherrschen konnte. Seine Hände zuckten, aber sie faßten noch ins Leere.
Dann ging er weiter.
Drei Schritte noch, und er blieb stehen, denn plötzlich sah er die Tür vor sich.
Sie war nicht geschlossen, stand aber auch nicht bis zum Anschlag hin offen.
Als er die Schwelle erreicht hatte, drehte er sich nach links. Frontal konnte er in das Innere der Hütte schauen.
Er sah die Gestalt.
Es war ein Mensch.
Er lag am Boden, ohne sich zu bewegen.
Und in seinem Körper floß das frische Blut.
Der Vampir grinste satt …
Morgana Layton war vor meinen Augen von dieser anderen Welt verschluckt worden, und ich hatte nichts dagegen unternehmen können. Ich war einfach auf der Stelle stehengeblieben und hatte zugeschaut wie jemand, der zum Statisten degradiert worden war.
Was tun?
Viele Möglichkeiten gab es nicht. Ich dachte nach, und durch meinen Kopf jagten sich die Gedanken.
Ich sah mich wie in seinem Spiegel. Ein zweiter Körper entstand in meinem Geist. Er ging die verschiedenen Möglichkeiten durch. Er überlegte und rechnete nach, was wohl geschehen könnte.
Auch in die Welt eintauchen? Versuchen, mit diesem Sog das Tor zu überwinden?
Ich wußte es noch nicht, aber ich wollte zunächst einmal zu mir selbst finden und sorgte mit Atemübungen dafür, daß ich mich wieder beruhigte.
Es war nicht so gelaufen wie ich es mir vorgestellt hatte. Gewisse Dinge waren eben anders gestrickt und unterstanden auch fremden und anderen Gesetzen.
Ich ging trotzdem näher heran. Das Pentagramm leuchtete in seinen tiefroten Farben. Dahinter sah ich nichts. Nur die Schwärze. Die andere Dimension hatte sich mir gegenüber nicht geöffnet. Nur wußte ich aus Erfahrung, daß es sie gab, und ich rechnete auch damit, durch dieses Tor in Mallmanns Vampirwelt zu gelangen.
Was dann?
Ich würde mich mit den Wesen herumschlagen müssen, aber es würde mir wohl nicht gelingen, sie zu zerstören.
Ich holte das Kreuz hervor. Es war noch nicht wieder abgekühlt, aber
Weitere Kostenlose Bücher