John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes
beugte sich über ihren Tisch. »Versuchen Sie, mir irgendetwas zu sagen, Jennifer?«, fragte er leise.
Während sie den Kopf schüttelte, sah er sich im Büro um. »Wollen Sie dieses Gespräch an einem anderen Ort führen?«
»Nein.« Mittlerweile tat es ihr schon leid, dass sie Wells überhaupt erwähnt hatte.
»Dann wollen wir uns fröhlicheren Themen zuwenden«, sagte Shafer. »Warum hat Khadri Farouk gesagt, wo die Bombe versteckt ist?«
»Warum sollte er das nicht tun? Farouk weiß mehr über Atombomben als alle anderen Al-Quaida-Mitglieder zusammen. Vermutlich wollte er ihn in die USA bringen, damit er sie zusammenbaut.«
»Aber sie ist schon zusammengebaut, richtig?«, gab Shafer zurück. »Sie liegt dort in dem Depot und wartet darauf, abgeholt zu werden.«
Exley fühlte sich sehr unwissend. »Das heißt, dass die Al-Quaida …«
»Dass sie zumindest eine zweite Person hat, die weiß, wie man mit Plutonium spielt.«
»Warum hat Khadri dann Farouk erzählt, wo sie liegt? Das ist eine entsetzliche Sicherheitslücke.«
»Vielleicht ist Farouk nicht der Einzige, der davon weiß«, überlegte er laut. »Vielleicht will Khadri sicherstellen, dass die Bombe nicht in ihrem Schließfach verrottet, falls wir ihn schnappen.«
»Das kann er auf hundertfache Weise codieren. Es anderen zu sagen, ist die unsicherste Methode. Das ist unlogisch. «
»Wer auch immer diese Bombe gebaut hat, denkt verteufelt logisch.«
»Eine interessante Wortwahl.«
»Wenn Sie scherzen wollen, habe ich Besseres zu tun«, gab Shafer zurück, während er sich zum Gehen wandte.
»Entspannen Sie sich, Ellis. Es tut mir leid.«
Er hielt inne. »Ich kann es einfach nicht ausstehen, wenn etwas keinen Sinn ergibt«, sagte er. »Und das hier ergibt keinen Sinn. Dieser Khadri spielt mit uns.«
»Da ist noch eine Sache«, sagte Exley. »Die Bombe ist zu klein.«
»Vielleicht ist das alles, was sie haben?«
»Vielleicht ihr ganzer Vorrat an Plutonium. Aber C4 ist leicht zu bekommen. Warum bauen sie nicht eine größere Bombe? Dieses Ding wird weniger Menschen töten als eine LKW-Bombe.«
»Vielleicht ist sie für einen bestimmten Mord gedacht«, warf Shafer ein. »Vielleicht soll sie im Waldorf während einer Wahlkampfveranstaltung des POTUS gezündet werden.« Aus Gründen, die sich Exley noch nicht erschlossen hatte, bestand man heute in Washington darauf, POTUS zu sagen – was für ›President of the United States‹ stand –, anstatt ihn einfach als Präsident anzusprechen.
»Wenn es um ein derartiges Ziel geht, warum hat man sich dann die Mühe gemacht, eine schmutzige Bombe zu bauen? Eine Packung C4, und die Sache ist erledigt. Tot ist tot, oder etwa nicht?«
Mit gerunzelter Stirn zog Shafer an seinen Haaren. Exley hoffte immer noch, dass er diese Angewohnheit ablegte. Eines
Tages würde er sich noch ein Stück von seinem Skalp abreißen.
Schließlich nickte er. »Tot ist tot. Das stimmt. Und in einer so kleinen Bombe benötigt man kein Plutonium. Was hat er vor?«
»Vielleicht hat er einen Fehler gemacht?«
Shafer schüttelte heftig den Kopf. »Er ist zu klug, um Fehler zu machen. Außerdem gefällt es ihm nicht, wenn andere wissen, was er tut. Nicht einmal seine eigenen Leute.«
»Er ist ein Kontrollfreak.«
»Er behält seine Geheimnisse so weit wie möglich für sich. Er weiß auch, dass seine Leute angreifbar sind. Dass wir jeden auf dieselbe Weise schnappen können, wie wir es mit Farouk getan haben.«
»Warum hat er Farouk dann davon erzählt?«
»Diese Frage habe ich Ihnen zuerst gestellt, Jennifer.«
Nach diesen Worten spazierte Shafer aus ihrem Büro hinaus und ließ sie mit einer weiteren Frage zurück, auf die sie keine Antwort wusste.
Mit einer Zigarette in der Hand betrat Tony DiFerri die Eingangshalle des Capitol Area Self Storage, die nicht sehr einladend wirkte: gelbe Wände, schwarze Kunststoffstühle, und ein Automat, an dem man sich ein Päckchen muffiger Doritos kaufen konnte. Major Rick Harris, ein gepflegter Farbiger, saß hinter dem Schalter und bemühte sich, möglichst gelangweilt zu wirken, während er auf dem alten Dell PC, auf dem Joey O’Donnell die Kundendaten des Depots gespeichert hatte, Solitär spielte.
»Sir, hier ist Rauchen verboten«, sagte Harris. Seine Schwester war an Lungenkrebs gestorben und eines seiner Kinder litt an Asthma.
»Schon in Ordnung«, murmelte DiFerri, während er die halb gerauchte Marlboro Light mit der Ferse austrat.
»Kann ich Ihnen
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