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John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

Titel: John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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lag mit heraushängender, feuchter Zunge unter dem Tisch und hoffte auf Reste. Während die Welt bereits in das einundzwanzigste Jahrhundert eingetreten war, herrschte in diesem Haus immer noch das Jahr 1958, bis hin zu den frisch gepflückten Gänseblümchen auf dem Küchentisch.
    Der Maulwurf konnte nicht ableugnen, dass er sich dieses Gefängnis selbst gebaut hatte. Nach seiner beschämenden Rückkehr aus Hongkong hatte er Janice 1996 auf der National Mall kennengelernt, wo sie Softball spielte. Sie war ein typisches
Mädchen aus Alabama, arbeitete in Reston als Kindergärtnerin und traf sich gern mit den Beamten von Langley. Sie war die hübscheste Frau, mit der er je ausgegangen war. Doch schon von Beginn an war sie überspannt, ein Vollblut, das zu Wutanfällen und Depressionen neigte. Und zum Trinken, auch wenn er erst nach der Hochzeit herausfand, wie viel sie trank. Selbstverständlich trank sie jetzt noch mehr.
    Vermutlich hätte es zwischen ihnen dennoch geklappt, wenn nicht die Sache mit ihrem Sohn gewesen wäre. Janice hatte eine schwierige Schwangerschaft. Sie brauchten zwei Jahre und vier In-Vitro-Behandlungen, bis sie endlich empfangen hatte. Danach verbrachte sie den Großteil des letzten Drittels der Schwangerschaft im Bett. Mark, ihr Sohn, war gesund und kräftig auf die Welt gekommen. Das blieb er auch noch beinahe zwei Jahre lang. Eines Tages litt er dann an Bauchschmerzen, Durchfall und Fieber. Ihr Arzt, Dr. Ramsey, maß seine Temperatur und schickte sie wieder nach Hause. Als das Fieber am zweiten Abend 39,5 °C erreichte, riet ihnen Ramsey, Mark ein kühles Tuch auf den Kopf zu legen, den Jungen zu Bett zu bringen und am nächsten Morgen sofort zu ihm zu kommen.
    Um 3 Uhr nachts wachte Mark schreiend auf. Ein dünner roter Schleim tropfte aus seinem Mund. Auf dem Weg ins Krankenhaus hielt Janice ihren Sohn im Arm, während der Maulwurf auf dem Arlington Boulevard über die roten Ampeln fuhr. Zum ersten und einzigen Mal nutzte er die Fahrkenntnisse, die er sich auf der Farm für Notfälle angeeignet hatte. Er erinnerte sich noch immer an die Angst des jungen Arztes in der Notaufnahme, der seinen Sohn untersuchte. Janice würde gewiss nicht zustimmen, aber das war für ihn der schlimmste Augenblick. Er hatte nie zuvor einen Arzt gesehen, der so ängstlich ausgesehen hatte.

    Der Rest kam so unausweichlich, wie eine Lawine zu Tal stürzte: intravenöse Antibiotika, Sauerstoffmaske, Organversagen, letzte Ölung. Er war überzeugt davon, dass Mark wusste, dass er starb. Selbst am Ende, als der Junge bereits aufgehört hatte, sich zu bewegen, waren seine Augen nicht geschlossen, als versuchte er, so viel von dieser lausigen Welt festzuhalten, wie er nur konnte. Vier Tage nach Beginn der Bauchschmerzen war er tot. Eine außergewöhnliche Bakterieninfektion, wie die Ärzte sagten. Niemand hätte ihn retten können.
    Manchmal glaubte der Maulwurf, dass Janice mit ihrem Sohn gestorben war. Sie wollte nicht einmal mehr versuchen, schwanger zu werden. Nach einigen Monaten hatte er sie gebeten, die Antibabypille abzusetzen. Sie sagte zwar, dass sie es tun werde, aber dann erschien Monat für Monat eine weitere Packung mit achtundzwanzig folierten Pillen in ihrem Badezimmer. Irgendwann hatte der Maulwurf aufgehört, sie darum zu bitten.
    Sie hörte auch zu arbeiten auf. Der Job im Kindergarten sei zu anstrengend. All die Kleinen, die ständig umherliefen. Stattdessen blieb sie zu Hause, um sämtliche Bücher zu lesen, die sie immer schon lesen wollte, wie sie sagte. Zwei Jahre später zogen sie um. Ihr sei es egal, sagte sie, aber er beharrte darauf, weil er annahm, dass ein neues Haus auch einen Neuanfang mit sich bringen würde. Er drängte sie, sich einen neuen Job zu suchen oder im Einkaufszentrum am Tysons Corner zu arbeiten, alles, nur um sie aus dem Haus zu bekommen. Und sie suchte sich einen Job, halbtags. Aber irgendetwas in ihr war zerbrochen. Etwa zu dieser Zeit traten die Chinesen an ihn heran.
    Janice war keine echte Alkoholikerin, aber wenn ihre Stimmung in den Keller sank, saß sie nur noch auf dem Sofa, sah
sich Seifenopern an und trank sich durch den Nachmittag. Der Maulwurf wusste, dass er sich von ihr scheiden lassen sollte, aber irgendwie fühlte er sich ihr verpflichtet. Sie war der Preis, den er dafür bezahlte, dass er seinen Sohn hatte sterben lassen, der Preis, den er bezahlte für seine Spionagetätigkeit. Außerdem konnte sie auch reizend sein. Hin und wieder erinnerte sie ihn an

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