John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes
Amerikaner? Was werden sie dazu sagen?«
»Lasst sie doch reden«, sagte Li. »Durch Worte ist Reis noch nie weich geworden.«
»Ich mache mir auch keine Gedanken über das, was sie sagen werden«, gab Zhang zurück. »Aber was, wenn sie unsere friedliche Absicht missverstehen?«
Li musste sich eingestehen, dass Zhang es verstand, eine Phrase umzukehren. Selbstverständlich würden es die USA »missverstehen«, wenn sich China mit dem Iran verbündete, dem schlimmsten Feind der USA.
»Die Hegemonisten sind an neuen Kriegen nicht interessiert.«
»Sind Sie dessen sicher?«
»Es gibt keine absolute Sicherheit, Genosse Zhang. Aber zurzeit sind sie abgelenkt, und unsere Armee und unsere Marine sind tapfer.«
Als Li zu Ende gesprochen hatte und es am Tisch ruhig blieb, wusste er, dass er gewonnen hatte. Diese Männer würden ihn nach Teheran zurückschicken, um die Vereinbarung mit dem Iran zum Abschluss zu bringen. Zum ersten Mal seit dem Ende des Kalten Kriegs würde die Weltherrschaft der USA herausgefordert werden.
Die Amerikaner würden gern reagieren. Aber wie Li wusste, kämpften sie mit eigenen Problemen. Mit dem Tod des nordkoreanischen Spions hatten sie ihre beste Informationsquelle in Pjöngjang verloren. Der Krieg im Irak hatte ihre
Armee geschwächt. Sie waren in die Defensive gedrängt – und eine öffentliche Bekanntgabe des chinesisch-iranischen Bündnisses würde sie zusätzlich reizen. Wie ein verwundeter Bär würden sie zuschlagen. Der amerikanische Präsident würde sich gegen das Bündnis aussprechen, was wiederum die Männer rund um Li reizen würde. Denn niemand in diesem Raum ließ sich gern von den USA Ratschläge erteilen, wie China seine Angelegenheiten zu führen habe.
Weder Washington noch Peking würden erwarten, dass die Auseinandersetzung über diese kriegerischen Worte hinausging. Allerdings begriff niemand an diesem Tisch, dass Li diese Vereinbarung mit dem Iran nur als Beginn einer chinesischen Konfrontation mit den USA betrachtete.
»Dann ist es abgemacht?«, erkundigte sich Li. »Wir akzeptieren den iranischen Vorschlag?«
Die Männer rund um den Tisch nickten. Indem ihnen Li das Geschäft auf diese Weise präsentierte, blieb ihnen kaum eine andere Wahl. Im Falle einer Ablehnung hätten sie schwach gewirkt, und keiner dieser Männer wollte schwach aussehen, am wenigsten Zhang. Hätten sie gewusst, was er als Nächstes plante, wären sie vorsichtiger gewesen. Aber sie wussten es nicht.
Li hob sein Glas an die Lippen. Ein weiterer Schritt zu der Macht, auf die er seit so langer Zeit hinarbeitete. Er nahm einen großen Schluck Cognac, der seinen Mund mit seiner Süße füllte.
13
»Jetzt!«, brüllte Hughley. »Jetzt!«
Während sich Wells am Rahmen des rüttelnden Black Hawks festhielt, zog er seinen Rucksack zu sich heran: dreißig Kilo Munition, Granaten, Energieriegel, Wasser, Verbände und andere Gegenstände, die für den Nahkampf wichtig waren.
Auf dem Boden lag ein zusammengerolltes Kevlar-Tau, dessen Ende am Rahmen des Hubschraubers verknotet war. Wells warf es hinaus und ließ sich Hand für Hand daran hinunter. Selbst durch seine Handschuhe fühlte er die rauen Fasern des Taus. Während die Kugeln aus der Kalaschnikow an ihm vorüberzischten, fragte er sich, ob er nicht doch eine stärkere Panzerweste hätte wählen sollen. Zwei Meter über dem Boden sprang er ab und landete trotz seiner Ausrüstung sanft.
Die Sonne war mittlerweile untergegangen, aber der Schein des sichelförmigen Mondes und der Sterne, die das obere Plateau erleuchteten, störten Wells Nachtsichtbrille. Sobald er sie vom Kopf gezogen hatte, machte er eine Bestandsaufnahme. Das Plateau war achthundert Meter lang und einhundertfünfzig Meter breit. Vereinzelte Felsblöcke und verkrüppelte Bäume boten eine bescheidene Deckung.
Rund um die Absprungzone hatten die Hellfire-Raketen gute Dienste geleistet. Auf dem Plateau lagen verbrannte
Männer umher, wie Bäume, die von einem Hurrikan der Kategorie fünf mitgerissen worden waren. Der Gestank ihres verbrannten Fleisches lag schwer in der Luft. In etwa fünfundzwanzig Metern Entfernung krümmte sich ein Kämpfer in langem weißem Gewand stöhnend neben einem Felsblock.
Wie geplant, hatte der Angriff die Kämpfer überrascht, als sie gerade die Lagerfeuer für das Abendessen entzündeten. In der Nähe der Höhlen waren Schafe und Ziegen angebunden. Vielleicht waren es sogar dieselben Tiere, die das Dorfoberhaupt, Bashir Jan, dazu bewogen
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