John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes
heraus.«
»Befürchteten Sie, dass ihn die CIA manipuliert hatte? Dass er eine Quelle von Desinformation war?«
»Desinformation?« Der unsichtbare Übersetzer sagte etwas auf Chinesisch.
Wen nickte heftig und beinahe verärgert. »Ja. Selbstverständlich haben wir uns gefragt, ob er versucht, uns zum Narren zu halten. Glauben Sie, wir begreifen nicht, wie die Dinge laufen?«
»Natürlich, natürlich«, sagte die Frau beschwichtigend.
»Zuerst haben wir ihn geprüft, indem wir ihn nur für Informationen verwendeten, die wir schon hatten. Aber alles, was er uns gibt, stimmt. Es ist sehr genau und immer korrekt. Deshalb wissen wir, dass er echt sein muss.«
»Mr Wen, was war die wertvollste Information, die Ihnen dieser Agent je zugespielt hat?«
»Das ist leicht«, sagte Wen. »Er sagte uns, dass die Amerikaner
einen Agenten in Nordkorea hätten. Einen Atomphysiker. Die Amerikaner nannten ihn ›Verfasser‹.«
Exley hörte, wie jemand scharf einatmete. Sie benötigte einen Augenblick, um zu erkennen, dass sie dieses Geräusch gemacht hatte. Die Chinesen hatten die Nordkoreaner über den Verfasser informiert?
»Wann war das?«
»Vor zwei Jahren vielleicht.«
»Wann haben Sie den Nordkoreanern gesagt, was Sie in Erfahrung gebracht hatten?«
»Erst dieses Jahr.«
»Warum haben Sie gewartet?«
»Ich weiß nicht. Wie sagen die Amerikaner: ›Das wurde in einer höheren Gehaltsklasse entschieden.‹«
»Haben Sie eine Vermutung?«
»Ich glaube, dass einige Leute der Meinung sind, China solle den USA die Stirn bieten. Die USA haben derzeit viele Probleme. Es ist an der Zeit, dass China seine Macht demonstriert. Wenn die USA nicht reagieren, weiß China, dass es gesiegt hat.«
»Leute in Zhongnanhai, meinen Sie?«
»Ja. Minister. Der Ständige Ausschuss. Aber nicht alle.«
»Darauf kommen wir später zurück. Konzentrieren wir uns erst auf diesen Wissenschaftler – diesen Verfasser, wie Sie ihn nennen. Was haben Sie den Nordkoreanern über ihn gesagt? Seinen Namen?«
»Seinen echten Namen kannten wir nicht. Aber genug, sodass sie ihn identifizieren konnten.«
»Wie haben Sie das alles erfahren? Das hatte doch nichts mit Europa zu tun.«
»Selbstverständlich habe ich es erfahren.« Wen wirkte verärgert. »Ich war zu Hause in Peking, als die Nordkoreaner
das Boot versenkten, das die Amerikaner zu seiner Rettung entsendet hatten. Ich bin der achthöchste Beamte im chinesischen Nachrichtendienst. Selbstverständlich erfahre ich davon.«
Tyson hielt die DVD an.
»Nicht der Siebthöchste und nicht der Neunthöchste. Nein, der Achthöchste. Ellis, glauben Sie ihm jetzt?«
Shafer nickte. »Offenbar sagt er die Wahrheit. Die Chinesen haben jemanden drin. Ansonsten hätten sie nicht den Codenamen des Verfassers gekannt.«
»Und die Chinesen würden ihren Maulwurf nicht aufgeben«, sagte Tyson. »Er ist zu wertvoll. Wens Überlaufen ist echt. Er ist selbstständig übergelaufen, nicht auf Anordnung aus Peking. Vielleicht für Mrs Monica Cheng. Vielleicht aber auch wegen dieser ärgerlichen Rechnungsprüfung.«
Shafer sah zu Exley hinüber. »Stimmen Sie dem zu?«
Exley dachte nach. »Ich bin nicht sicher. Wir wussten bereits, dass wir einen Maulwurf haben, auch wenn wir bei der Suche nach ihm noch keine großen Fortschritte gemacht haben.« Die Polizeiberichte und Grundbuchdaten hatten keine Hinweise geliefert, und sie warteten immer noch auf die Ergebnisse der neuen Lügendetektortests. »Die wahre Prüfung besteht darin, ob er uns hilft, den Maulwurf zu finden.«
Tyson grinste. »Mrs Exley, Sie sind das Hirn dieser Operation, das sehe ich jetzt.«
Exley war es leid, für die beiden Lehrer die brave Schülerin zu spielen. »Und Sie sind ein selbstgefälliger, herablassender Mistkerl.«
Tyson hörte nicht auf zu lächeln. »Sie klingen wie meine Frau. Das Seltsame daran ist, dass ich Ihnen wirklich ein
Kompliment machen wollte. Sie haben genau ins Schwarze getroffen.«
Er ließ die DVD weiterlaufen.
»Können wir für heute Nacht aufhören?« Wen hatte das Sakko abgelegt und unter den Achseln hatten sich auf seinem Hemd große Schweißflecken gebildet.
»Nur noch ein paar Fragen. Ich verspreche Ihnen, dass Sie sich dann ausruhen können. Also. Dieser Maulwurf innerhalb der CIA. Kannten Sie seinen Namen?«
»Nein.«
»Abteilung?«
»Ich habe Ihnen schon gesagt, er war in der Operationsleitung.«
»Wo in der Operationsleitung? Am Chinatisch?«
»Da bin ich nicht sicher. In Asien, aber
Weitere Kostenlose Bücher