John Wells Bd. 3 - Stille des Todes
fragte Exley.
»Ich hatte gehofft, du könntest es mir sagen.«
Und jetzt versuchte er, wieder Ordnung in seine Gedanken zu bringen und neue Kräfte zu sammeln. Weil er wusste, dass die Welt nicht lange friedlich bleiben würde.
Exley stand auf, schnitt die Rosen an und stellte sie in eine Vase aus geschliffenem Glas. »Wie war die Gruppe?«
»Ich habe endlich mal was gesagt«, erwiderte Wells.
»Möchtest du darüber reden?«
Statt einer Antwort stand er auf, legte einen Arm um sie, fasste mit dem anderen unter ihre Beine und hob sie mühelos hoch. Wells war fast einen Meter neunzig groß, muskulös und doppelt so schwer wie Exley. Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände und sah ihn mit ihren blauen Augen prüfend an.
»Hast du schon alles für die Reise geplant?«
»Fast«, sagte sie. »Willst du mir wirklich nicht helfen?«
»Ich treffe im Moment keine Entscheidungen. Ich bin in einer entscheidungsfreien Phase.«
»Keinerlei Entscheidungen? Das heißt, ich kann mit dir machen, was ich will?«
»Absolut.«
»Dann bring mich doch mal nach oben.«
»Selbstverständlich, Ma’am.«
Er hatte sie gerade auf das Bett gelegt, als es an der Tür klingelte.
»Geh nicht hin.« Sie schlüpfte aus dem Pullover. Darunter trug sie nur ein dünnes weißes T-Shirt, unter dem sich ihre Brustwarzen abzeichneten. Sie zog ihn zu sich herab. Er hatte gerade angefangen, ihr das T-Shirt auszuziehen, als es erneut klingelte.
Unten im Erdgeschoss schaltete er das Licht auf der Veranda ein und spähte durch das kugelsichere Glas. Draußen stand ein großer Schwarzer in einem langen blauen Mantel. Adam Michaels, der Leiter der CIA-Beamten, die das Haus bewachten.
Wells gefiel der Gedanke, ständig unter Beobachtung zu stehen, nicht besonders, aber ihm war klar, dass es unumgänglich war, vor allem, wenn Exleys Kinder zu Besuch kamen. Zum Glück waren Michaels und seine Leute diskret.
»Entschuldigen Sie die Störung, John«, sagte Michaels.
»Macht nichts.«
»Können Sie und Ms Exley bitte nach draußen kommen und sich jemanden ansehen?«
Der Mann stand unter einer Straßenlaterne. Er war weiß, trug Jeans, eine Yankees-Kappe, schwarze Handschuhe
und eine dünne Lederjacke, die gegen die Kälte wahrscheinlich kaum half. Zwei von Michaels’ Leuten behielten ihn im Auge, die Hand in der Nähe der Pistole an ihrem Gürtel.
Wells musterte ihn gründlich. »Noch nie gesehen.«
»Ich auch nicht«, sagte Exley.
»Wer ist das?«, fragte Wells.
»Wahrscheinlich niemand«, erwiderte Michaels. »Aber wir haben ihn in den letzten Tagen fünf- oder sechsmal dabei beobachtet, wie er langsam vor und hinter dem Haus vorbeigegangen ist. Sehr konzentriert. So, als ob er es erkunden wollte. Diesmal haben wir ihn angehalten und gefragt, was er da treibt.«
»Wir leben in einem freien Land«, sagte Wells.
»Das hat er auch gemeint«, gab Michaels zurück.
»Wie heißt er?«
»Angeblich Victor, aber er hat keinen Ausweis. Dem Akzent nach vermutlich Russe.«
Wells ging zu dem Mann und betrachtete ihn eingehend. Nein, definitiv ein Fremder. Er reichte ihm die Hand. Der Mann zögerte, dann schüttelte er sie.
»Victor, ich bin John Wells.«
»Sehr erfreut.« Der russische Akzent war unverkennbar.
»Suchen Sie mich? Hier bin ich.«
»Warum sollte ich Sie suchen? Ich kenne Sie doch gar nicht. Ich gehe einfach so vorbei, da halten mich diese Leute fest und lassen mich in der Kälte rumstehen.«
»Kennen Sie einen Spetsnaz namens Sergej Tupenow?«
»Noch nie gehört.«
»Ich auch nicht«, sagte Wells. »Victor, mögen Sie die Yankees?«
»Klar.«
»Ein großer Fan?«
»Klar.«
»Wie heißt ihr Shortstop?«
Victor runzelte die Stirn. »Shortstop? Was ist denn das für eine Frage?«
»Schon in Ordnung«, meinte Wells. »Schönen Abend noch. Bis irgendwann mal.«
Er kehrte zu Michaels zurück.
»Irgendwas Auffälliges?«
»Nein.«
»Hat es in den letzten Wochen ein paar interessante Drohungen gegeben?«, fragte Exley.
»Gegen Sie beide?«, meinte Michaels. »Natürlich nicht. Jeder liebt sie, das müssen Sie doch wissen.« Er legte eine Pause ein. »Im Ernst, nur den üblichen Quatsch. Mehr Sorgen machen mir die, von denen wir nichts wissen.«
»Da haben Sie Recht«, stimmte Exley zu.
»Wenn Sie ihn nicht erkennen, müssen wir ihn wohl laufen lassen.« Michaels wandte sich Victor zu. »Verschwinden Sie. Und tun Sie mir einen Gefallen: Kommen Sie nicht wieder. Gehen Sie woanders spazieren.« Der Russe starrte sie
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