John Wells Bd. 3 - Stille des Todes
Die Nordkoreaner waren nicht vertrauenswürdig, und die Pakistaner hatten solche Angst davor, was die Amerikaner mit ihnen anstellen würden, wenn ihnen ihre Bomben abhandenkamen, dass sie mit Argusaugen über ihr Waffenarsenal wachten.
Also reisten Nasiji und Jussuf als Händler getarnt, die russische Motorräder in den Nahen Osten exportieren wollten, durch das südliche Russland. Monatelang gab es keinerlei Fortschritte. Der Zugang zu den verbotenen Städten war kein Problem, aber die Basen, auf denen die Bomben lagerten, waren eine andere Sache. Dann erzählte ihnen der Imam in Tscheljabinsk von einem Wachmann in Ozersk, der ihnen möglicherweise helfen würde.
Der Plan für den Diebstahl stammte von Nasiji, aber den Umgang mit den Farsadow-Cousins überließ er Jussuf. Falls die Verschwörer aufflogen, war Jussuf ersetzbar. Außerdem besaß Jussuf ein gewisses Talent für diese Arbeit. Er jagte den Leuten solche Angst ein, dass sie fast alles taten, damit er sie in Ruhe ließ.
Nasiji hatte sich für den Weg über das Schwarze Meer
entschieden, weil er nicht genau wusste, wie sich die Russen verhalten würden, wenn sie den Diebstahl entdeckten. Um eine weltweite Panik zu vermeiden, würden sie wahrscheinlich vor einer öffentlichen Bekanntmachung zurückschrecken. Allerdings mochten sie versuchen, ihre Grenzen dichtzumachen, und die Kasachen würden sie dabei unterstützen. Also war es am besten, das Material so schnell wie möglich nach Europa zu schaffen.
Trotz allem hatte Nasiji seinen Augen kaum trauen wollen, als er die beiden Gefechtsköpfe in Jussufs Nissan sah. Er zückte einen Hand-Geigerzähler, um sicherzugehen. Tatsächlich. Die Strahlungssignatur war schwach, aber unverkennbar. Die Bomben waren echt.
Er griff in die Werkzeugkästen und legte die Hände um die beiden Zylinder. Der Stahl unter seinen Fingern war kalt, doch sein Körper schien unter Strom zu stehen, als würde Elektrizität durch ihn hindurch von einem Sprengkopf zum anderen fließen.
»Jetzt bin ich der Tod geworden, der Zerstörer der Welten«, sagte Nasiji.
»Was?«
»Das haben die Amerikaner gesagt, als sie die erste Bombe zündeten.«
»So was hat jemand gesagt?«
»Oppenheimer. Ein jüdisch-amerikanischer Physiker. Das ist aus dem heiligen Buch der Hindus. Als der Feuerball hochging, sagte Oppenheimer: ›Jetzt bin ich der Tod geworden, der Zerstörer der Welten.‹«
»So habe ich mich auch gefühlt, als ich die Dinger gesehen habe. Ich wusste nur nicht, wie ich es ausdrücken sollte.«
»Weißt du, wie die Wissenschaftler sie nennen?«
»Bomben?«
»Gadgets.« Nasiji verwendete das englische Wort.
» Gadgets ?«
»Dafür gibt es keine richtige Übersetzung. Es ist eine technische Spielerei. Ein mechanisches Gerät.«
»Warum denn das?«
»Liegt das nicht auf der Hand? Es ist ein Witz. Eine Waffe mit dieser Vernichtungskraft nennen sie gadget wie ein Mobiltelefon oder ein elektronisches Spielzeug.«
»Gidgit.« Jussuf lächelte bemüht.
Nasiji schloss den Kofferraum. »Gute Arbeit, Jussuf.«
Nach der Fahrt über das Schwarze Meer, die Jussuf nutzte, um sich der Farsadow-Cousins zu entledigen, trafen die Bomben in der Türkei ein. Jussuf bewachte sie vier Tage lang in einer Mietwohnung in einer Vorstadt von Istanbul. Dann war es Zeit für den nächsten Schritt.
Seit einem Jahr bezog Nasiji Werkzeugkästen und -schränke von einer Fabrik in der Zentraltürkei. Er kaufte sie in Chargen von achthundert Stück und versandte sie in zwölf Meter langen Schiffscontainern nach Triest. Von Italien aus ging die Ware nach Hamburg, wo er sie zum Selbstkostenpreis an deutsche Eisenwarenhandlungen verkaufte.
Nasiji hatte nicht vor, ins Eisenwarengeschäft einzusteigen. Er wollte eine Versandroutine aufbauen, ein wesentlicher Faktor, um beim Zoll kein Aufsehen zu erregen. Jedes Jahr passierten Hunderttausende Container Triest. Das waren viel zu viele, als dass die Zollbehörden sie hätten kontrollieren können. Also konzentrierten sich die Beamten auf neue Transportunternehmen, Firmen, die dafür bekannt waren, dass sie versuchten, den
Zoll zu umgehen, und Firmen aus bekannten Problemländern, wie Nigeria. Für alle anderen - zum Beispiel einen unbescholtenen Spediteur aus Istanbul - war die Wahrscheinlichkeit einer zufälligen Stichprobe geringer als die Gefahr, von einem Meteoriten erschlagen zu werden.
Die türkischen Werkzeugschränke wurden an ein Lagerhaus im geschäftigen Hafenviertel von Istanbul geliefert.
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