John Wells Bd. 3 - Stille des Todes
ist nicht genug. Ist dir klar, welche Folgen du in Kauf nimmst? Wirst du nicht zweifeln, wenn der Augenblick gekommen ist?«
»Kennen Sie das Schicksal meiner Familie?«
Der Saudi nickte. Ein paar Sekunden lang war es im Zimmer so still, dass Nasiji seinen eigenen Atem hören konnte.
»Diese Amerikaner«, sagte Ahmed schließlich.
»Sie müssen ihre eigene Medizin zu schmecken bekommen.« Nasiji sagte dem Scheich nicht, dass er, wenn sein Plan erfolgreich war, nicht nur New York oder Washington, sondern ganz Amerika vernichten würde. Diese Vision mochte selbst für den Mann vor ihm zu viel sein.
Ahmed drückte seine Zigarette aus. »Also gut. Was wirst du brauchen?«
»Für den Anfang? Einen kanadischen oder amerikanischen Pass, und zwar einen echten. Außerdem einen Pass eines europäischen Staates. Fluchthäuser in Deutschland und Russland. Vertrauenswürdige Menschen in beiden Ländern. Und Geld, viel Geld.«
»Das ist eine lange Liste.«
»Je näher wir unserem Ziel kommen, desto länger wird sie werden.«
Der Scheich nickte.
»Vor allem brauchen wir jemanden in den Vereinigten Staaten, dem wir absolut vertrauen können. Jemanden mit einem Grundstück, mit ein paar Hektar Land, damit wir nicht gestört werden.«
»Innerhalb der Vereinigten Staaten? Warum das?«
»Wir werden die Bombe dort bauen müssen. Das Material selbst ist relativ unauffällig, aber die fertige Waffe nicht.«
»Glaubst du wirklich, dass du das schaffst?«
»Eine Garantie gibt es nicht, aber es ist möglich. Der schwierigste Teil ist die Beschaffung des Materials. Wenn Gott uns dabei hilft …«
»Inschallah«, sagte der Scheich. »Inschallah.« Er klatschte in die Hände. »Also gut. Zunächst einmal müssen wir dich aus dem Irak herausbringen, bevor die Amerikaner dich erwischen. Wir treffen uns in einer Woche in Amman, dann reden wir weiter über deine Pläne. Du wirst Gelegenheit haben, deine Familie zu rächen, das verspreche ich dir.«
Zu seiner Überraschung spürte Nasiji, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen. Er wandte sich ab, damit der Saudi sein Gesicht nicht sehen konnte.
In den auf diese Begegnung folgenden drei Jahren hielt Ahmed Faisal das Wort, das er Nasiji gegeben hatte. Faisal und sein Cousin kannten auf der ganzen Welt Menschen, die den Dschihad unterstützten. In Montreal den Leiter eines algerischen Gemeinschaftszentrums. In Berlin den Inhaber eines afghanischen Restaurants. In Sarajewo einen Mann, der mit gebrauchten Lastwagen handelte. In Tscheljabinsk einen Imam. Alle waren bereit, Nasiji zu helfen, ohne Fragen zu stellen. Sie nahmen ihn bei sich zu Hause auf, damit er sich nicht in einem Hotel anmelden musste. Sie gaben ihm Geld. Einige von ihnen gingen noch weiter. Der kanadische Pass in Nasijis Tasche lautete auf Jad Ghani aus Montreal. Nasiji brauchte sich keine Sorgen zu machen, dass ein Einwanderungsbeamte den Pass als falsch entlarvte - er war nämlich echt.
Jad Ghani gab es tatsächlich. Er litt an einer leichten geistigen Behinderung, lebte bei seinen Eltern und war im selben Jahr geboren wie Nasiji, allerdings in Montreal. Jads Vater war ein fanatischer Gläubiger, der bereitwillig mit Nasijis Fotos einen Pass für seinen Sohn beantragt hatte. So war Nasiji an einen echten kanadischen Reisepass gekommen, mit dem er jede Grenzkontrolle in Europa oder den Vereinigten Staaten anstandslos passieren würde.
Der erste große Durchbruch kam, als Faisal die Verbindung zu Jussuf al-Hadsch herstellte, der sechs Jahre lang als Ingenieur in der syrischen Armee gedient hatte. Jussuf hatte zwei große Vorteile. Zum einen sprach er fließend Russisch, zum anderen war er ein eiskalter Psychopath. Die Syrer hatten ihn entlassen, weil er einen Soldaten fast totgeschlagen hatte, der sich einem seiner Befehle widersetzt hatte. Aber Nasiji wusste, wie man mit Irren umging.
Im Irak gab es Dschihadis, die genauso verrückt waren wie Jussuf. Das Wichtigste war, keine Schwäche zu zeigen. Diese Menschen waren wie Wölfe. Wenn sie Zögern oder Furcht witterten, fielen sie über einen her.
Langsam baute Nasiji sein Netz auf. Er organisierte ein Transportsystem und eine Werkstatt in den Vereinigten Staaten. Dabei stieß er auf einige Schwachstellen in seinem Plan, die er mittlerweile behoben hatte.
Allerdings waren alle seine Pläne ohne das Material nichts wert, wenn er nicht bis an sein Lebensende Trockenübungen durchführen und Bombenattrappen bauen wollte. Seine beste Chance war Russland, das wusste er.
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