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John Wells Bd. 3 - Stille des Todes

John Wells Bd. 3 - Stille des Todes

Titel: John Wells Bd. 3 - Stille des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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behauptete der Wärter.
    Baschir traute seinen Ohren nicht. Glaubte der Mann das wirklich? Der Wärter schüttelte das Glas hin und her, ließ die Pillen rasseln, starrte mit zusammengekniffenen Augen auf das Etikett. Baschir wurde klar, dass er einen Analphabeten vor sich hatte. Einen, der nicht zugeben wollte, dass er nicht lesen konnte.
    »Bitte«, sagte Ayman. »Ich schwöre es bei Allah.«
    »Illegal«, wiederholte der Wärter. Er drehte den Deckel auf, schüttete die Tabletten auf den Boden und zertrat sie mit seinen billigen schwarzen Schuhen auf dem Beton. »Du hast Glück, dass ich dich nicht verhafte«, sagte er zu Baschir. Dann packte er Ayman an den auf den Rücken gefesselten Armen und schleifte ihn zur Tür.
    »Ich besorge dir dein Medikament«, rief Baschir seinem Onkel zu. »Gleich morgen.«

    Aber er konnte sein Versprechen nicht halten. Eine Woche lang kämpfte er sich jeden Tag durch die Kairoer Verkehrsstaus zum Gefängnis. Die Wärter ließen ihn nicht zu Ayman, so viel Geld er ihnen auch bot. Am achten Morgen hatte er gerade gefrühstückt und wollte aus dem Haus gehen, als das Telefon klingelte. Noor nahm ab und lauschte. Dann ließ sie den Hörer wortlos fallen, sank auf die Knie und begann zu schreien, wobei sie den Kopf auf den gelben Linoleumboden der Küche schlug. Baschir wusste sofort Bescheid. An dem Tag, als sein Vater starb, hatte seine Mutter so geschrien.
    Der Mukhabarat behauptete, Ayman sei tot in seiner Zelle aufgefunden worden. Ein Herzinfarkt. Man habe nichts für ihn tun können. Die Beamten drückten der Familie ihr aufrichtiges, herzliches Beileid aus, eintausend mitfühlende Phrasen, ein typisch ägyptisches endloses Epos, und ein Wort so bedeutungslos wie das andere. Sie hatten ihn ermordet. Ob sie ihn nun tatsächlich zu Tode geprügelt oder ihn getötet hatten, indem sie ihm sein Medikament vorenthielten, war belanglos. Sie hatten ihn ermordet.
    Am Tag von Aymans Beisetzung schwor sich Baschir, seinen Onkel zu rächen. Intuitiv wusste er, welchen Weg er einschlagen musste. Eigentlich hatte er Jura studieren wollen wie sein Vater. Jetzt überdachte er diesen Entschluss noch einmal. Warum Anwalt werden in einem Land, das kein Gesetz kannte? Der Mukhabarat hatte ihn nie mit der Bruderschaft in Verbindung gebracht. Er hatte keine Vorstrafen. Sein Name war sauber. Und so schrieb er sich in Kairo für Medizin ein. In jedem Land der Welt galten Ärzte als vertrauenswürdig, gleich welcher Nationalität oder Religion sie waren. Wenn es ihm gelang,
einen Abschluss in Medizin zu erwerben, würden ihn selbst die Vereinigten Staaten gern nehmen. Drei Jahre büffelte er wie wild Biologie, Chemie und Physik, dann schloss er sein Medizinstudium in Kairo als Bester seines Jahrgangs ab und ebnete sich damit den Weg an die Ohio State University.
    Während der gesamten Zeit blieb er insgeheim mit den Freunden seines Onkels bei der Bruderschaft in Verbindung, damit sie wussten, dass er nach wie vor auf ihrer Seite stand. Den anderen war bewusst, welch potenziellen Wert er besaß, wenn sie nur geduldig waren. Nach Abschluss seiner Facharztausbildung schrieb sich Baschir für ein Programm ein, das es ausländischen Ärzten ermöglichte, die amerikanische Staatsbürgerschaft zu erwerben, wenn sie fünf Jahre in Gebieten mit unzureichender ärztlicher Versorgung praktizierten. Selbst die Amerikaner brauchten Ärzte, ganz wie er es sich gedacht hatte.
    Einige Monate, bevor er seine neue Stelle antrat, ging er zurück nach Kairo, um sich eine Frau zu suchen. Seine Tante Noor stellte ihm die Tochter ihrer Cousine zweiten Grades vor. Thalia war erst neunzehn, ein sanftes Vögelchen von einem Mädchen mit mandelförmigen Augen, dichtem schwarzem Haar und Brüsten, die sich trotz aller Versuche, sie zu verbergen, deutlich unter ihrer Kleidung abzeichneten. Baschir wollte sie auf Anhieb. Das Beste war, dass sie zu einer guten muslimischen Ehefrau erzogen worden war. Amerika, Ägypten, Pakistan - sie würde ihm folgen, wohin er wollte. Sechs Monate nach ihrer ersten Begegnung heirateten sie.
    Der Anruf, auf den Baschir so lange gewartet hatte, kam wenige Wochen, nachdem er mit Thalia in die Vereinigten Staaten gezogen war. Ein namenloser Araber, der
Sprache nach Iraker, sagte, sie hätten gemeinsame Freunde, und bat um ein Treffen in Montreal.
    Während sie an einem schönen Aprilmorgen durch den großen botanischen Garten östlich des Stadtzentrums schlenderten, erklärte ihm der Iraker - Sayyid

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