John Wells Bd. 3 - Stille des Todes
Nordosten der Vereinigten Staaten gekauft. Er hatte darauf geachtet, sich nie zweimal an denselben Händler zu wenden. Für keines der Geräte waren spezielle Zulassungen oder Genehmigungen erforderlich, aber Baschir wollte nicht, dass jemand fragte, warum er sich im Garten eine Fabrik baue.
Schwieriger war der Kauf des Vakuumofens gewesen. Er kostete mehr als fünfzigtausend Dollar und wurde vor allem in Stahlwerken und gut ausgestatteten Hochschullabors
verwendet. Nach einem Gespräch mit Sayyid Nasiji kam Baschir zu dem Schluss, dass er am wenigsten Aufsehen erregte, wenn er den Ofen aus China importierte. Nach amerikanischem Gesetz war der Export von Geräten, die potenziell zu militärischen Zwecken eingesetzt werden konnten, streng reguliert. Diese Politik war vor Jahrzehnten sinnvoll gewesen, als die Vereinigten Staaten, Deutschland und Japan die einzigen Länder waren, die Hightech-Ausrüstung wie Vakuumöfen herstellen konnten.
Die Gesetze äußerten sich jedoch nicht zum Import komplexer Geräte. Niemand war je auf den Gedanken gekommen, dass sich auf amerikanischem Boden operierende Terroristen die benötigte Ausrüstung außerhalb der Vereinigten Staaten besorgen könnten. Nach einigen Stunden Internetrecherche und vier Anrufen in China bestellte Baschir den Vakuumofen online. Zwei Monate später traf er in einem Lagerhaus in Elmira ein. Niemand stellte irgendwelche Fragen.
Tagsüber war Baschir Allgemeinchirurg in Corning, einer Stadt mit elftausend Einwohnern im Bundesstaat New York, vierhundert Kilometer nordwestlich von New York City. Er war Ägypter, der einzige Sohn einer Kairoer Familie aus der oberen Mittelschicht. Sein Studium an der Universität Kairo hatte er in nur drei Jahren beendet und im Alter von einundzwanzig mit exzellenten Noten abgeschlossen. Danach hatte er in den Vereinigten Staaten Medizin studiert und seine Facharztausbildung absolviert, beides im Bundesstaat Ohio. Mit achtundzwanzig war er fertiger Facharzt und ging nach Ägypten, um sich eine Frau zu suchen. Er blieb nur wenige Monate in Kairo,
bevor er nach Corning zurückkehrte und das Haus der Repards kaufte.
Das war in groben Zügen sein Lebenslauf. Der war zwar korrekt, erwähnte aber verschiedene Tatsachen nicht, für die sich die CIA mit Sicherheit interessiert hätte. Als Baschir elf war, starb sein Vater. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse schickte ihn seine Mutter zu ihrer Halbschwester Noor. Noors Ehemann Ayman Ismail besaß eine Spedition und war insgeheim ein ergebenes Mitglied der Moslembruderschaft, einer Gruppierung, die Ägypten in ein streng islamisches Land verwandeln wollte. Ayman und Noor waren kinderlos und zogen Baschir wie ihren eigenen Sohn auf, wobei sie ihm die Überzeugungen der Moslembruderschaft einimpften.
Ayman hasste vor allem Hosni Mubarak, den ägyptischen Präsidenten. »Ein Pharao«, sagte er zu Baschir, »mit seinem Hofstaat und seinem zerfallenden Reich. Sieh dir an, wie er sein Volk behandelt. Jeder, der sich ihm entgegenstellt, wird eingesperrt. Und weißt du, wer hinter all dem steckt?«
»Nein, Onkel.«
»Doch, das weißt du. Du hast es schon hundertmal von mir gehört. Sag es mir.«
»Die Amerikaner.«
Ayman nickte. »Die Amerikaner. Angeblich wollen sie Demokratie für alle, aber wenn wir Ägypter nach Führern verlangen, die ihnen nicht nach dem Mund reden, machen sie uns fertig. Was glaubst du, wer die Gefängnisse und das Regime finanziert?«
»Die Amerikaner?«
»Stimmt.«
Ayman achtete darauf, dass er in der Öffentlichkeit nicht mit der Bruderschaft in Verbindung gebracht wurde. Aber als Baschir achtzehn war und gerade sein Studium an der Kairoer Universität aufnehmen wollte, verhaftete der Mukhabarat, der Geheimdienst, Ayman bei einer Zusammenkunft der Bruderschaft in Kairo. Zwei Wochen lang wussten Baschir und Noor nicht, was mit ihm passiert war. Schließlich erfuhren sie, dass er in dem berüchtigten Gefängniskomplex Tora, vierundzwanzig Kilometer südlich von Kairo, gelandet war. Es verging noch einmal eine Woche, bevor der von ihnen hinzugezogene Anwalt beim Mukhabarat eine Besuchserlaubnis für Baschir erwirkt hatte.
Das Besuchszimmer mit den Betonwänden, in dem Baschir auf Ayman wartete, war fensterlos und stickig. Die Temperatur betrug fast vierzig Grad. Es stank derartig nach Fäkalien, dass sich Baschir nach wenigen Minuten die Nase zuhielt und durch den Mund atmete. Vor dem Raum brüllten Männer, eine ständige Kakofonie von
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