John Wells Bd. 3 - Stille des Todes
wenn ich Ihnen auch nur ein Härchen krümme, kann mich kein Bodyguard der Welt schützen«, erwiderte Kowalski. »Ein Black Hawk mit einem Delta-Einsatzteam an Bord wird mich aus meiner Villa holen und aus eintausend Metern Höhe in den Zürichsee fallen lassen.«
»Sie haben eine lebhafte Fantasie.«
»Vielleicht wollen Sie ja später etwas trinken. Wenn wir einander besser kennen.« Kowalski nippte an seinem Wein. »Gefällt Ihnen Zürich, Mr Wells? Wir werden jedes Jahr als Stadt mit der besten Lebensqualität ausgezeichnet. Obwohl sich ein Mann der Tat wie Sie hier wahrscheinlich langweilen würde.«
Wells hatte geglaubt, sein Hass auf Kowalski ließe keinen Platz für andere Gefühle. Jetzt jedoch gesellte sich eine tiefe Gereiztheit hinzu, die auf seiner Abneigung saß wie Stacheldraht auf einem Elektrozaun. Kowalski erinnerte ihn an George Tyson, den CIA-Chef für Gegenspionage, auch so einen Fettsack, der nie auf den Punkt kam und im Endeffekt mehr nahm, als er gab.
»Und die Schweizer Frauen sind natürlich auch nicht zu verachten«, fuhr Kowalski fort.
Wells dachte an Exley, die lautlos vor sich hin weinte, wenn sie sich durch den Krankenhauskorridor schleppte. Alles wegen Kowalski. Und jetzt witzelte er über die Züricher Frauen … Wells’ Kehle war wie zugeschnürt. Die Raumtemperatur schien schlagartig in den Keller zu sinken, und die Gespräche um ihn herum waren plötzlich verstummt. Die Welt hatte sich auf diese eine Ecke reduziert.
Wells’ Blick wanderte von Dragon, dem Scharfschützen, zu Tarasow, während er fieberhaft geometrische Berechnungen
anstellte. Würde es ihm gelingen, seine Glock zu ziehen und zwei Schüsse abzugeben, zuerst Dragon und dann Tarasow auszuschalten? Höchst zweifelhaft. Er hätte zwei Feuerwaffen gebraucht und im Jesse-James-Stil über Kreuz ziehen müssen. So was funktionierte nur im Film.
Die anderen Männer schienen zu spüren, dass Kowalski zu weit gegangen war. Dragon griff unter seine Jacke nach seiner Waffe, einem kurzläufigen Snubnose-Revolver, den er, von den zusammengelegten Händen verborgen, unterhalb der Taille hielt. Kowalski rührte sich nicht, aber seine Augen weiteten sich kaum merklich.
»Ich muss mich entschuldigen, Mr Wells. Das war taktlos. Aber ich halte es für besser, wenn wir hier kein Aufsehen erregen.«
Wells lehnte sich zurück und legte die Hände in den Schoß. Auf ein Nicken von Kowalski ließ Dragon seinen Snubnose verschwinden.
»Wenn Sie mir etwas zu sagen haben, kommen Sie zur Sache.« Wells schob seinen Sessel zurück. »Jetzt oder nie.«
»Zunächst einmal möchte ich Ihnen mein aufrichtiges Bedauern wegen der Sache vom vergangenen Monat ausdrücken. Ich habe einen furchtbaren Fehler gemacht. Die Behandlung, die Sie mir in den Hamptons angedeihen ließen, hat mich aus dem Gleichgewicht gebracht. Ich habe überreagiert.«
Wells stand auf. Kowalski hob seine dicke Hand, um ihn aufzuhalten. »Ich möchte Frieden zwischen uns. Ich habe etwas für Sie.«
Zum ersten Mal, seit er Kowalski gesehen hatte, lächelte Wells. »Sie versuchen doch nicht etwa, mich zu bestechen? So dumm können nicht mal Sie sein.«
»Bestechen will ich Sie allerdings. Aber nicht mit Geld. Mit Informationen.«
Wells setzte sich wieder.
In den folgenden Minuten berichtete Kowalski Wells von dem Anruf, den er von Andrej Pawlow, dem zweiten Mann bei Rosatom, erhalten hatte, und seinem Verdacht, dass eine Nuklearwaffe abhandengekommen war. Wells sagte nichts von dem Bericht, den Duto ihm zu lesen gegeben hatte, aber die Einzelheiten schienen übereinzustimmen.
»Den Russen ist also kernwaffenfähiges Material verlorengegangen«, sagte Wells, als Kowalski fertig war. »Was soll daran neu sein?«
»Also gut, lassen Sie mich mit dem Anfang beginnen. Vor zwei Jahren kommt ein Mann zu mir, ein in Deutschland ansässiger Türke, der dreitausend AK-Sturmgewehre und eine Million Schuss kaufen will.«
»Wie heißt dieser Mann?«
»Nennen wir ihn den Türken.«
»Clever«, sagte Wells. »Sie haben das Geschäft also gemacht. Hatten Sie keine Angst, dass Ihnen die deutsche Polizei eine Falle stellt? Oder sonst jemand?«
»Wenn mich die deutsche Polizei auflaufen lassen will, weiß ich das noch vor den Leuten, die die Operation leiten. Außerdem war das, was er wollte, nicht illegal.«
»Ist es nicht ungewöhnlich, dass jemand aus dem Nichts auftaucht und sich an Sie wendet?«
»Nicht unbedingt. Die Leute wissen, wer ich bin und was ich tue. Wenn
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