John Wells Bd. 3 - Stille des Todes
mich jemand ruft, komme ich. Oder einer meiner Männer.«
»Aber wenn so jemand bei Ihnen auftaucht und mehrere hunderttausend Dollar für Gewehre ausgeben will, fragen Sie nicht, wohin die Waffen gehen.«
»Natürlich tue ich das. Nigeria, sagte er, an einen General, dem er früher schon mal gebrauchte Jeeps verkauft hat. Diesmal will der Mann Sturmgewehre für eine Polizeibrigade, Paramilitärs.«
»Und dieser Mann, der Türke, hat sie bezüglich des Käufers nicht angelogen?«
»Bei einem Erstgeschäft wie diesem schließe ich erst ab, wenn ich mir sicher bin. Die Geschichte mit Nigeria stimmte tatsächlich. So etwas ist relativ leicht nachzuprüfen. Sie wissen wie?«
Wells schüttelte den Kopf.
»Der Türke legt mir sogenannte Endbenutzerbescheinigungen vor, eine Zusicherung der nigerianischen Regierung, dass die Waffen nicht weiterverkauft werden. Die prüfe ich, und wenn ich mich davon überzeugt habe, dass alles in Ordnung ist, organisiere ich das Geschäft. AKs sind leicht zu finden, die werden überall auf der Welt hergestellt: in China, Russland, Bulgarien, wo auch immer. Ich kaufe die Sturmgewehre für hundertfünfzig Dollar pro Stück und verkaufe sie für je zweihundertzwanzig Dollar, Transport inbegriffen. Dreitausend Gewehre, das gibt bei einer Marge von siebzig Dollar einen netten kleinen Gewinn von 210.000 Dollar, plus Munition. Keine große Sache, aber für ein paar Stunden Arbeit und ein paar Telefonate nicht schlecht.«
»Und die nigerianische Regierung kann das nicht allein?«
»Natürlich kann sie.« Kowalskis schwere Lider waren jetzt halb geschlossen, als würden ihn die langen Erklärungen
langweilen. »Und zweihundertzwanzig Dollar ist ein sehr fairer Preis für ein neues Gewehr. Nur stehen auf der Endbenutzerbescheinigung nicht dreitausend, sondern viertausend.«
»Wie das?«
»Weil der Türke oder der General irgendwo auf dem Weg eintausend eigene Sturmgewehre zu dieser Lieferung hinzufügt, alte, schlechte Waffen, die vielleicht zwanzig Dollar pro Stück kosten, und die Differenz einsteckt. Der General sucht sich den Türken, der Türke wendet sich an mich, alle verdienen an der Sache. Von mir verlangen sie noch nicht einmal Schmiergeld, sie wollen nur, dass ich über die eintausend zusätzlichen Gewehre hinwegsehe. In so was bin ich gut.«
»Kann ich mir vorstellen«, sagte Wells.
»Dann wendet sich der Türke letztes Jahr wieder an mich, diesmal wegen eines größeren Auftrags. Sechstausend AKs, ein paar Maschinengewehre sowie ein paar SPG-9. Nur vier.«
»Sie meinen den ›Speer‹?« Wells kannte die Waffe aus Afghanistan. Der »Speer« war ein rückstossfreies 73-mm-Geschütz russischer Entwicklung. Praktisch eine überdimensionale Bazooka. Wurde als Panzerabwehrwaffe verkauft, aber das war eine Übertreibung. Der »Speer« konnte vielleicht Pickups und Humvees mit mittlerer Panzerung zerstören, taugte jedoch nicht viel gegen alles, was schwerer war.
»Ja.«
»Hat er gesagt, wofür er die braucht?«
»Nein. Das Geschäft läuft genau wie beim ersten Mal. Diesmal steht achttausend auf der Bescheinigung. Auch gut. Ein bisschen merkwürdig ist, dass er eine getrennte
Bescheinigung für die SPG-9-Geschütze hat, aber was soll’s? Der Mann kauft ja schließlich keinen Panzer.«
»Also haben Sie ihm die Gewehre verkauft.«
»Ich bin Waffenhändler, Mr Wells. Ich handle mit Waffen. Aber dann, vor ein paar Monaten …«
»Wann?«
»Sechs. Vor sechs Monaten ruft mich der Türke wieder an. Diesmal will er Beryllium. Er ist vorsichtig, sondiert das Terrain, aber er meint es ernst.«
»Beryllium?«
»Ein Metall. Kommt beim Bombenbau zum Einsatz. Bei Atombomben.«
»Kann man damit irgendwas anderes anfangen?«
»Eigentlich nicht. Kennen Sie das physikalische Prinzip?« Kowalski erläuterte die Grundlagen des Bombenbaus mit ein paar Skizzen auf einem Block, den er mitgebracht hatte. Nach wenigen Minuten hatte Wells verstanden oder bildete es sich zumindest ein.
»Der Beryllium-Reflektor streut die Neutronen also zurück zur Bombe?«
»Genau. Er umschließt den Kernbrennstoff und beschleunigt die Kettenreaktion, aber eine Bombe kann man damit nicht bauen. Ohne Plutonium oder Uran ist es nutzlos. Und das schien der Türke nicht zu haben. Seine Frage klang eher hypothetisch. Könnte ich ihm Beryllium besorgen, falls er es brauchen sollte? Ich sagte, wahrscheinlich nicht, aber wenn der Preis stimmte, würde ich mich umsehen.«
»Waren Sie überrascht, dass er zu Ihnen
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