JoJo Und Ich
angeboten. Die ganze Insel schien sich geehrt zu fühlen, dass Anna JoJo und das Land sehen wollte.
Ich empfing das junge Mädchen und ihre Mutter Karin am Flughafen. Anna war mager und ihre Haut aschfahl, ihre Augen aber blickten äußerst lebhaft drein. Sie begrüßte mich mit einem schüchternen und etwas befangenen Lächeln.
»Anna ist sehr müde von der langen Reise«, sagte ihre Mutter und legte schützend den Arm um sie.
»Natürlich. Also los«, sagte ich und griff mir einen ihrer Kof fer. »Mein Wagen steht da drüben.« Ich fuhr Mutter und Tochter ins Hotel, damit sie sich erst einmal ausruhen konnten.
Am nächsten Tag segelten wir abseits der Insel und ankerten, um zu schnorcheln. Anna konnte aufgrund ihrer Krankheit nicht sofort ins Wasser und musste sich erst langsam eingewöhnen. Wir befanden uns an einer Stelle, an der sich JoJo normalerweise nicht aufhielt, aber plötzlich war er neben mir. Anna stand am Bug und bestaunte ihn.
»Los, schnapp dir Maske und Schnorchel und komm!«, rief ich ihr zu.
»Weißt du, Dean«, gab sie zurück, »eigentlich genügt es mir im Moment schon, euch noch einmal so zu sehen wie in dem Film. Es ist so … so unglaublich schön.«
Das Schwimmen mit JoJo schien sie zu scheuen, aber wenn ich es mir recht überlegte, musste sie ja auch nicht unbedingt ins Wasser, um sich an seiner Gegenwart zu erfreuen. Durch bloßes Zusehen konnte sie alles nachempfinden, was ich immer erlebte, wenn ich mit JoJo schwamm und herumtobte. Meine Freude spiegelte sich in ihren Augen.
Karin stand hinter Anna an Deck, die Hände über der Brust gekreuzt. Der Wunsch ihrer Tochter erfüllte sich, sie schüttelte beinahe ungläubig den Kopf. Ich las ein »Dankeschön« auf ihren Lippen und nickte ihr zu, bevor ich wieder mit JoJo abtauchte.
Als wir genug gespielt hatten, ging ich wieder an Bord, trocknete mich ab und nahm Anna fest in die Arme. Ich spürte, dass sie in diesem Augenblick sehr glücklich war, und drückte mein Gesicht an ihre Wange. Etwas Salziges lief mir über die Lippen, nicht das Meerwasser, das aus meinen Haaren troff, sondern Annas Tränen. Was sie gesehen hatte, erfüllte sie mit unaussprechlicher Freude. Und diese Freude brach sich jetzt Bahn wie eine Springflut.
Am Abend saßen Anna und ich am Strand, und ich erzählte ihr von beinahe tödlichen Unfällen und dem tiefen Frieden, den ich dabei entdeckt hatte.
Anna sprach von ihrer Angst vor dem Sterben. »Am meisten fürchte ich mich vor den Schmerzen, Dean.«
»Beim Hinübergehen wirst du einen Punkt erreichen, an dem du das alles hinter dir lässt – Schmerzen, Sorgen, Kummer. Dann empfindest du nichts anderes mehr als seligen Frieden. Angesichts unserer wahren Bestimmung in diesem expandierenden Universum ist die kurze Zeit, die wir auf der Erde verbringen, kaum erwähnenswert.«
»Meinst du?«
»Sicher.« Ich drückte ihren Arm. »Für mich ist der Tod einfach ein neuer Weg, den das Leben einschlägt, ein Weg des Übergangs und der Erleuchtung. Der Tod ist nicht das Ende, sondern der Eintritt in eine andere Sphäre. Körperlos und voller Glückseligkeit.« Ich blickte ihr in die Augen. »Auch für dich wird es so sein, glaub mir.«
»Weißt du«, sagte sie, »so offen habe ich noch nie mit jemandem über den Tod sprechen können. Aber mit dir ist das irgendwie ganz leicht.«
»Das freut mich, Anna.«
Ich fragte sie, ob sie vielleicht noch andere Träume hätte, die sie sich gern erfüllen würde. Und ja, es gab da tatsächlich etwas: ein Fallschirmsprung.
Annas Wunsch erinnerte mich an meine nächtlichen Schwimmausflüge mit JoJo, bei denen es auch darum ging, sich vor nichts zu fürchten, was das Leben zu bieten hat. Doch bevor man das Unvorhersehbare zulassen kann, muss man zunächst einmal akzeptieren, dass es in Ordnung ist, den Weg jenseits des Körperlichen fortzusetzen. Zu diesem Prozess gehört es auch, die Angst zu überwinden. Und die Reise des Lebens insgesamt zu bejahen.
Noch am selben Abend rief ich Freunde an, die eine Fallschirmsprungschule betrieben und sich sofort mit Freuden bereit erklärten, uns springen zu lassen. Ich war ganz aus dem Häuschen. Der Sprung würde Anna helfen, die Angst vor dem Tod zu besiegen.
Am nächsten Tag auf der Fahrt quer über die Insel kicherte Anna leise vor sich hin, während Karin auf einem Haftungsaus schluss-Formular Angaben zu Annas Gesundheit machte. Das geschah nur der Form halber, um Schadensersatzansprüche auszuschließen – wer weiß also, was
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