Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)
beschützen?«
»Vor bösen Kräften vielleicht? Ich weiß es nicht …«
»Was weißt du überhaupt?«
»Nicht viel, ehrlich gesagt. Meine Eltern und mein Onkel reden nicht mit mir, niemand will mir sagen, was hier gespielt wird. Ich weiß nur, dass meine Mutter entführt wurde, weil mein Vater in irgendetwas verwickelt ist.«
»Und was hat das mit dem Haus zu tun?«
»Es hat einmal meiner Familie gehört, und Cassius hat mir streng verboten, es zu suchen. Irgendetwas muss da sein! Vielleicht finde ich dort endlich ein paar Antworten.«
Eliane zweifelte noch immer. Unsicher zupfte sie an ihren kurzen Strähnen herum. »Also, ich fasse mal zusammen: Du hast keine Ahnung, was du eigentlich suchst, aber du willst es unbedingt finden. Und zwar noch heute Nacht.«
Damit hatte sie die Absurdität seiner Situation elegant auf den Punkt gebracht.
»Warum hat dein Vater dich beim alten Cassius abgeladen?«, fragte sie. »Und überhaupt, wo ist er jetzt? Hat er dich im Stich gelassen?«
»Er versucht, meine Mutter zu retten. Eliane, die beiden sind in großer Gefahr.«
»Und jetzt glaubst du, du kannst ihnen helfen. Ausgerechnet du. Sieh dich doch an. Du bist nur … ein Junge. Denkst du ernsthaft, du kannst irgendwas ändern?«
Er ließ die Schultern sinken. Natürlich hatte sie recht. »Nein«, gestand er. »Aber es macht mich verrückt, einfach nur die Hände in den Schoß zu legen. Als mein Vater gegangen ist, hat er mir versprochen, in drei Tagen wieder da zu sein. Morgen beginnt der vierte Tag, und ich habe keine Ahnung, ob ich ihn je wiedersehe. Was würdest du tun?«
»Ich würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen und herausfinden wollen, was da los ist«, sagte sie mit nachdenklicher Miene.
Ein Hoffnungsschimmer glomm in Jonathans Augen. »Also hilfst du mir?«
Eliane zupfte an ihren Haaren herum. »Du kommst mitten in der Nacht zu mir und willst, dass ich dich in dieses verfluchte Haus begleite, um eine Art riesige Verschwörung aufzudecken und deine Eltern zu retten.«
»So in der Art«, sagte Jonathan zweifelnd.
Zu seiner Überraschung machte sich plötzlich ein Lächeln auf ihrem Gesicht breit, sodass sie wieder aussah wie eine verrückte Märchenfee. »Endlich mal was los in diesem langweiligen Nest. Also gut, Blitzbirne. Ich bin dabei. Aber bilde dir bloß nichts darauf ein.«
»Da ist nur noch eine Sache.«
»Was noch?«
»Du darfst niemandem davon erzählen. Absolut niemandem, klar? Das ist echt wichtig. Also schwöre!« Jonathan zog ein altes Plattencover hervor. »Schwöre auf den großen Elvis Presley, dass du niemandem etwas davon erzählst, auch nicht, was du heute Nacht sehen wirst!«
Eliane zögerte. Auf ihr Idol einen Schwur zu leisten war eine große Verantwortung. Zögerlich legte sie ihre Hand auf das Plattencover und nickte. »Von mir aus. Gehen wir!«
* * *
Unter ihnen flog die Straße hinweg. Der Himmel über ihnen war klar und erfüllt mit Myriaden von Sternen. Bald hatten Jonathan und Eliane das schlafende Dorf hinter sich gelassen und hielten auf den Wald zu, der wie eine dunkle Mauer vor ihnen lag. Als sie ihre Räder versteckt hatten, packten sie ihre Taschenlampen aus und suchten einen Weg durch das Unterholz. Schweigend folgten sie den Markierungen an den Bäumen und gingen den Weg entlang, der zu dem vergessenen Haus führte. Es war kurz vor Mitternacht, als sie die Lichtung schließlich fanden. Eliane trug eine Tasche bei sich, in der sie einige Werkzeuge und Bastelmaterialen verstaut hatte – ihr »Überlebensset«, wie sie es nannte. Als sie vor der Luke zum Kohlenkeller standen, zog sie ein Seil daraus hervor und verknotete es an einem Baumstamm. Das andere Ende ließ sie in die Luke fallen und nickte Jonathan auffordernd zu.
Er nahm all seinen Mut zusammen und kletterte am Seil hinab, bis Feuchtigkeit und modriger Geruch ihn umfingen. Eliane folgte ihm und sah sich um. Jonathan ließ das Licht seiner Taschenlampe wandern. Sein Herz schlug schneller, als der Lichtkegel auf die Tür fiel. Sie war nur angelehnt. Bevor Jonathan es verhindern konnte, riss Eliane sie auf.
»Hast du nicht behauptet, dass du ein Tier in der Dunkelheit gesehen hast? Na bitte, da hast du es.«
Hinter der Tür kam ein Korridor zum Vorschein. In seiner Mitte thronte die Statue eines Bären. Drohend erhob er seine verwitterten Steinpranken, als ob er über den Frieden des Hauses wachte. Eliane beleuchtete die weit aufgerissene Raubtierschnauze.
»Der Bär war das Wappentier der
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