Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)
freilässt!«
»Bedaure. Der Handel galt für den Fall, dass dein Vater mir das Herz übergibt. Aber er hat es vorgezogen, mich auf die Probe zu stellen. Jetzt muss er die Konsequenzen tragen!«
»Mein Vater?« Alarmiert zuckte Jonathan zusammen. »Was ist mit ihm? Was hast du mit ihm gemacht?«
Gelangweilt fingerte Riot eine Fleischfaser aus den Zähnen und schnippte sie weg. »Wenn du Glück hast, lebt er noch. Vielleicht nagen auch bereits ein paar Tiere seine Knochen ab, was weiß ich? Ist schon ein paar Tage her, dass ich ihn das letzte Mal gesehen habe.«
»Nein!«, schrie Jonathan. Fassungslos vor Wut und Trauer vergaß er alle Vorsicht und wollte Riot an die Kehle springen. Mit einem Wimpernzucken war eine Mauer von zähnefletschenden Wölfen vor ihm. Eliane packte ihn und zog ihn zurück.
»Lass mich!« Jonathan wollte sich losreißen. Die Wölfe machten ihm keine Angst mehr. »Das wirst du büßen, Riot! Das verspreche ich dir!«
Unbeeindruckt schob Riot die Wölfe zur Seite und ging vor Jonathan in die Hocke, sodass sie fast auf Augenhöhe waren. Selbst in dieser Position überragte der breitschultrige Mann ihn deutlich.
»Eines Tages wirst du ein würdiger Gegner sein«, sagte er kalt. »Dann wirst du die Gelegenheit bekommen, dich mit mir zu messen. Bis es so weit ist, spielst du nach meinen Regeln. Oder du spielst gar nicht mehr. Und jetzt genug geredet. Gib mir, was ich haben will!«
»Einen Moment!«, rief Eliane. Mutig drängte sie sich zwischen Jonathan und den riesigen Mann. »Wir geben dir den blöden Kiesel. Aber eine Belohnung wird doch drin sein! Ich meine, wir haben ganz schön was riskiert, um ihn zu bekommen.«
Für einen Moment sah es so aus, als ob Riot sie kurzerhand zwischen seinen Pranken zerquetschen würde. Er nahm seine Kappe vom Kopf, kratzte die hässliche Narbe darunter und drängte Eliane vor sich her. Seine Wölfe folgten ihm knurrend.
»Eine Belohnung«, wiederholte er mit sanfter Stimme. »Ja, ich finde, du hast recht. Ihr sollt eine Belohnung haben. Eigentlich wollte ich euch an meine Wölfe verfüttern. Die armen Tiere haben seit Tagen nichts Anständiges gegessen. Aber wenn ihr mir das Herz des Lazarus gebt, schenke ich euch das Leben. Wie klingt das?«
Eliane hob die Brauen und brachte ein gequältes Lächeln zustande. »Na ja … besser als nichts.«
»Dann sind wir uns ja einig.«
Er streckte die Hand aus. Jonathan sah Haut wie gegerbtes Leder und Dreck unter den Nägeln. Er kramte in seiner Jacke herum, um etwas Zeit zu schinden. Ein sinnloses Unterfangen; wenn sie flohen, würden die Wölfe sie in Stücke reißen. Und es war mehr als unwahrscheinlich, dass sie hier draußen Hilfe bekamen.
»Nun mach schon!«, rief Eliane ungeduldig und riss ihm den Stein aus der Hand. Sie war so nervös, dass sie ihn zu Boden fallen ließ. Rasch hob sie ihn auf. Bevor Jonathan protestieren konnte, ging sie zu Riot und übergab ihm, was er haben wollte. »Hier! Damit haben wir unseren Teil des Geschäfts erfüllt.«
Achtlos warf Riot das purpurfarbene Tuch zur Seite und wog den Stein in seiner Hand. Seine Augen leuchteten.
»Das Herz des Lazarus«, lachte er. »Ihr habt es wahrhaft gefunden. Ihr Blagen seid doch für etwas gut. Es war eine Freude, mit euch Geschäfte zu machen.«
Er ließ den Stein in seiner Brusttasche verschwinden und gab seinen Wölfen ein Zeichen. Sie rotteten sich zusammen.
Die Erkenntnis traf Jonathan wie ein Hammerschlag: Er hatte Riot das Herz des Lazarus beschafft! Für alles, was jetzt geschah, würde er die Schuld tragen.
»Komm schon!«, zischte Eliane. »Verschwinden wir!«
Er stieß ihre Hand zur Seite, außer sich vor Wut. »Warum hast du das getan?«, schrie er. »Warum hast du ihm den Stein gegeben?«
»Was hätten wir den sonst tun sollen? Ich weiß nicht, wie du dazu stehst, aber ich habe ganz zufällig keine Lust, von ein paar Wölfen gefressen zu werden. Jetzt komm endlich!«
Es war ein Albtraum. Jonathan stolperte durch die Dunkelheit. Eliane schob ihn unbarmherzig vor sich her. Aus seinen Augenwinkeln sah er, wie Riot und sein Wolfsrudel in die andere Richtung verschwanden. Es kümmerte ihn nicht. Er hatte alles verloren. Immer wieder musste er an seine Eltern denken. Würde er sie jemals wiedersehen?
Elianes Stimme wurde ungeduldig. »Schneller! Beweg dich!«
»Wozu?«, fragte er mit dünner Stimme. »Es ist vorbei. Dieser Verrückte hat, was er will. Wozu sollen wir noch kämpfen?«
»Weil ich euch beide ausgetrickst
Weitere Kostenlose Bücher