Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)
habe, ihr Genies!«
Abrupt blieb Jonathan stehen und sah Eliane an. Sie öffnete ihre Hand. Darin lag das Herz des Lazarus. Sie hatte es gegen einen gewöhnlichen Stein getauscht.
Ein triumphierendes Grinsen überflog ihr Gesicht. »Das ist der Vorteil an dem Ding. Es gibt wirklich Millionen von Exemplaren, die genauso aussehen. Ich hab nur ein bisschen im Boden gewühlt.«
Jonathan hätte sie am liebsten umarmt. Aber er wusste, dass ihnen keine Zeit blieb. Bald würde Riot den Schwindel bemerken und seine Wölfe auf sie hetzen. Schnell wie der Wind rannten sie durch das Unterholz, sprangen über Baumwurzeln und stürzten sich mit der Schulter voran ins Gebüsch. Ihre Taschenlampen durschnitten die Finsternis und zuckten an schlafenden Bäumen entlang. Jonathan verlor jedes Gefühl für Raum und Zeit. Seine Beine hatten die Kontrolle übernommen und trugen ihn durch den Wald. Äste peitschten ihm ins Gesicht und hinterließen blutige Striemen. Er spürte sie ebenso wenig wie das Stechen in seinen Lungen. Er rannte, bis der Waldrand vor ihnen lag und die Lichter von Bärenfels durch das Astwerk schimmerten. Wenn sie erst auf ihren Fahrrädern saßen, hatten sie eine echte Chance. Sie sprangen auf und traten in die Pedale. Elianes Gesicht war rot vor Kälte und Anstrengung. Sie hatte keinen Atem mehr und musste trotzdem lachen.
»Wir haben es geschafft!«, jubelte sie keuchend.
Sie verließen den Feldweg und erreichten die Straße. Bärenfels lag im Tal vor ihnen, friedlich schlafend. Nur noch wenige Hundert Meter trennten sie von der Sicherheit.
Die Wölfe waren schneller.
Sie rannten aus dem Wald und versperrten die Straße. Der kurze Spurt schien sie nicht im Geringsten außer Atem gebracht zu haben. Hinter ihnen trat Riot aus dem Schatten. Der Himmel wusste, wie er so schnell hierhergelangt war. Schwer atmend brachte Jonathan sein Rad zum Stehen und tauschte einen Blick mit Eliane, die fassungslos war. Spöttisch ging Riot auf sie zu. Sein Lächeln war Fassade. Jonathan konnte spüren, wie es in ihm brodelte. Dass es zwei Kindern gelungen war, ihn zu überlisten, machte ihn rasend.
»Genug gespielt«, sagte er grimmig. »Ich dachte, ihr hättet begriffen, dass ich wenig Verständnis für solche Späße habe. Aber offensichtlich waren meine Warnungen nicht deutlich genug. Bedauerlich für euch.«
Sie hatten keine Möglichkeit zur Flucht. Und selbst wenn, hätte ihnen die nötige Kraft gefehlt. Ihre Muskeln schmerzten, und sie rangen nach Atem. Es war vorbei.
»Ich will nur den Stein, den sie bei sich haben«, sagte Riot sanft zu seinen Wölfen. »Bringt ihn mir. Dann gehören sie euch.«
Die Tiere knurrten, als sie die frohe Botschaft vernahmen. Hungrig schlichen sie auf Jonathan und Eliane zu. Schritt für Schritt wichen die beiden zurück. Die Bestien fletschten ihre Zähne. Muskeln spannten sich unter dem struppigen Fell, als sie zum Sprung ansetzten. Das Hämmern eines Motors ließ sie aufhorchen. Ein Motorrad bremste vor den Wölfen, wirbelte Staub und Steine auf. Der Fahrer riss sich den Helm vom Kopf und funkelte Riot hasserfüllt an.
»Warum legst du dich zur Abwechslung nicht mal mit jemandem an, der deine Kragenweite hat, Riot?«
Cassius! Jonathan erschrak, als er seinen Onkel erblickte. »Onkel Cassius! Vorsicht!«
Ohne ihn zu beachten, stieg Cassius von seinem Motorrad und zog sich seine Jacke aus.
»Würdige Gegner hast du dir da ausgesucht. Zwei Kinder! Was ist los mit dir, Riot? Wirst du langsam alt? Oder sehen wir endlich deine wahre Natur … dass du ein Hosenscheißer bist?«
Riot spie aus. »Verschwinde!«
Unbeeindruckt ging Cassius auf ihn zu. Seine Augen funkelten zornig. »Das hier ist die Heimat meiner Familie. Meine Heimat! Hier erteilt mir niemand Befehle.«
Riot stieß einen Pfiff aus und befahl seinen Wölfen: »Reißt ihn in Stücke!«
Mit blankem Entsetzen sah Jonathan, wie sich alle Raubtiere gleichzeitig auf Cassius stürzten. Knurrend und geifernd verbissen sich ihre Zähne in seinen Armen und Beinen, ihre Krallen rissen sein Hemd auf und hinterließen blutige Kratzer auf seiner Haut. Zu Jonathans Überraschung wich Cassius keinen Zentimeter, im Gegenteil: Er suchte den Kampf. Grimmig ballte er seine Hände zu Fäusten und schlug mit der Wucht eines Hammers auf die Tiere ein. Ein Wolf wurde auf der Nase getroffen und kippte um wie ein gefällter Baum. Ein zweiter flog meterhoch durch die Luft, ein dritter bekam einen Tritt, der ihn geradewegs vor Riots Füße
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