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Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)

Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)

Titel: Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Ahner
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Wenn du glaubst, dass ich mit euch zusammenarbeite, dann hast du dich geschnitten«, gab er schwach zurück.
    Aurora legte ihm die Hand auf die Schulter und führte ihn mit sanfter Gewalt in Richtung der Feuer. Ihre Helferin hielt Eliane gepackt und stieß sie vor sich her, ohne sich auch nur im Geringsten von ihren Beschimpfungen beeindrucken zu lassen.
    »Ich verstehe, dass du zornig bist«, sagte Aurora. »Aber ist es nicht ein wenig voreilig, uns zu verurteilen, bevor du nicht weißt, wer wir sind und was wir wollen?«
    »Ich habe genug über dich gehört«, sagte Jonathan.
    Aurora lachte heiser. »Ich war ein Mitglied des Großen Kreises, wie dein Vater. Und genau wie er konnte ich mich eines Tages nicht mehr mit den Regeln abfinden, die mir auferlegt wurden. Genau wie er habe ich mich entschlossen, meinen eigenen Weg zu wählen. Sind wir so verschieden, dein Vater und ich?«
    »Du hast meine Eltern verraten«, sagte Jonathan müde. Seine Beine wurden so schwer, dass er sie kaum noch heben konnte.
    »Ich habe niemanden verraten«, entgegnete Aurora, nun plötzlich zornig. Ihre Augen funkelten ihn an. »Jeder von ihnen hat eine faire Chance bekommen. Auch deine Eltern.«
    »Das ist … nicht … wahr …«, stöhnte Jonathan.
    Aurora schob ihn unbarmherzig weiter. Sie gelangten an eine Stelle des Waldes, die lichter war, unterbrochen von Wiesen und Feldern. Hier befand sich ein Lagerplatz, eine Mauer aus Zelten, Klapptischen und flackernden Feuern, an denen sich Männer wärmten. Als sie Jonathan und Eliane sahen, brachen sie ihre Gespräche ab und musterten sie mit einer Mischung aus Misstrauen und Zorn. Keiner von ihnen wagte es, Aurora in die Augen zu sehen. Selbst die härtesten Kerle schienen Angst vor ihr zu haben.
    »Was ist das?«, rief Eliane, die ihre Augen weit aufgerissen hatte.
    »Wir haben euer hübsches kleines Kaff umstellt. Ohne unsere Erlaubnis kommt hier niemand rein oder raus«, gab ihre Aufpasserin zurück und verpasste ihr einen Stoß.
    Das also war der Ring, von dem der Mann gesprochen hatte – ein Belagerungsring. Sie waren eingeschlossen. Feuer tanzten vor Jonathans umnebelten Augen, und seine Füße fühlten sich schwer an, wie Gewichte, die ihn immer tiefer nach unten zogen. Aurora führte ihn zum größten Zelt des Lagers.
    »Du wirst meine Entscheidung verstehen, mein Junge«, sagte sie und ließ ihre Stimme sinken, bis sie nur noch ein Flüstern war: »Eines Tages wirst du begreifen, dass es keine andere Möglichkeit gab. Wer sich ihm nicht anschließt, der ist dem Untergang geweiht. Es gibt kein Entkommen.«
    Sie ließ ihn los. Jonathan taumelte und sank in den Schnee. Als Auroras Fingernägel nicht mehr in seiner Reichweite waren, kehrten seine Sinne zurück. Er blickte in Riots Narbengesicht. Goldzähne blitzten im Schein des Feuers, als der hünenhafte Mann laut auflachte.
    »Die kleinen Ratten sind also aus ihrem Loch gekrochen.« Er packte Jonathan und hob ihn auf die Füße wie ein Spielzeug. »Cornelius ist ein noch größerer Feigling, als ich dachte, wenn er seinen eigenen Sohn ins Verderben schickt.«
    »Jonathan …« Eliane packte seine Hand und half ihm auf. Nervös deutete sie auf die Wölfe, die sich unweit des Feuers im Schnee niedergelassen hatten. Einige von ihnen leckten noch immer die Wunden, die sie beim Kampf mit Cassius davongetragen hatten.
    Riot wandte sich an Aurora. »Haben wir das verdammte Herz nun endlich in unserer Gewalt?«
    Sie tätschelte ihren Umhang und lächelte unter dem Netz ihrer dürren Haare hervor.
    Riot lachte triumphierend. Dann wandte er sich an einen seiner Schergen, einen gebeugten Mann mit Schnurrbart und Krauskopf.
    »Warum ist euch das nicht gelungen? Warum schafft ihr es nicht, ein paar Kinder zu fangen und ihnen einen lächerlichen Kiesel abzunehmen?«
    Der Mann zitterte vor Angst. »Ihre Spuren endeten an dem Bach. Ohne Suchhunde war es unmöglich, ihnen weiter zu folgen.«
    Unvermittelt packte Riot die Hand des Mannes und hielt sie fest. Der Schnauzbart keuchte erschrocken auf, wagte es aber nicht, Gegenwehr zu leisten.
    »Vier Jahre habe ich in der Wüste von Algerien gekämpft, dem Tod oft näher als dem Leben«, sagte Riot in das von Angst gelähmte Gesicht seines Gegenübers. »Wir mussten uns blind vertrauen, um zu überleben. Natürlich waren da auch Feiglinge und Verräter, die das Weite suchten, während ihre Kameraden um ihr Leben kämpften. Wir hatten ein einfaches Ritual, um sie für alle Zeiten zu brandmarken.

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