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Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)

Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)

Titel: Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Ahner
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Schleichwege, nutzte Keller, Gärten, Scheunen und Dächer, um sich wie ein Dieb an den wachsamen Augen ihrer Verfolger vorbeizustehlen. Immer wieder waren sie gezwungen, in Deckung zu gehen und sich vor Patrouillen zu verstecken.
    Auf halbem Weg mussten sie eine breite Straße überqueren. Im frischen Schnee waren sie wie auf einem Präsentierteller. Eliane spähte hinter einer Mauer hervor. Zwei Männer gingen an ihr vorüber und verschwanden in einer angrenzenden Straße.
    »Ich gehe vor und gebe dir ein Zeichen!«, flüsterte sie.
    Jonathan nickte.
    Geduckt huschte sie an der Hauswand entlang und rannte über die Straße. Sie hatte sich gerade hinter einem Mauervorsprung versteckt, als die Männer zurückkehrten. Jonathans Herz pochte schmerzhaft. Er bemerkte die Spuren, die Eliane im Schnee hinterlassen hatte. Zum Glück waren die Männer zu sehr damit beschäftigt, über die Kälte zu fluchen, und stiefelten achtlos darüber hinweg.
    Er wartete auf Elianes Zeichen. Minuten vergingen, ohne dass etwas geschah. Nervös blickte Jonathan auf seine Uhr. Er streckte den Kopf hervor und riskierte einen Blick auf die Straße. Weit und breit war niemand zu sehen. Tausend Gedanken schossen ihm gleichzeitig durch den Kopf. Er beschloss es zu riskieren und rannte los.
    »Hey!«, schrie jemand. Eine Männerstimme, rau von der Kälte.
    Jonathan gefror das Blut in den Adern. Er war entdeckt worden!
    »Hierher«, schrie ein Mann. »Hier ist ein Junge!«
    Jonathan rannte, ohne sich umzusehen. Hinter ihm war das Knirschen von Schritten im Schnee zu hören. Aus allen Ecken liefen Männer zusammen. Orientierungslos irrte er durch eine schmale Gasse, bis Eliane ihn packte und in ein Versteck zog. Es roch nach Motoröl, und im Schatten konnte er die Silhouetten von Traktoren erkennen. Ein Geräteschuppen.
    »Bist du verrückt?«, zischte Eliane mit mühsam unterdrückter Wut. »Da waren überall Wachen! Du solltest doch auf mein Zeichen warten, verdammt!«
    »Tut mir leid«, sagte Jonathan.
    Fieberhaft sah Eliane sich um. »Los, schnell.«
    Sie schlüpfte durch ein Loch in der Bretterwand und führte ihn auf der anderen Seite des Schuppens ins Freie. Jonathan wirbelte herum. Rechts und links von ihnen befanden sich hohe, fensterlose Häuserfassaden. Vor ihnen eine Mauer. Hinter ihnen die Männer, die ihnen dicht auf den Fersen waren.
    »Das ist eine Sackgasse«, flüsterte er.
    »Ich weiß.«
    Rasch kramte Eliane eine Haarnadel hervor, um sich am Schloss einer Tür zu schaffen zu machen. Es klickte leise, und sie sprang auf.
    »Du kannst Schlösser knacken? Wer hat dir denn das gezeigt?«
    »Emir, was dachtest du denn?«
    Schwang da Bewunderung in ihrer Stimme mit? Mochte sie ihn, den Anführer der Blutsbande? Jonathan hatte keine Zeit, den Gedanken zu vertiefen. Er folgte Eliane ins Innere des Hauses, das in völliger Dunkelheit lag. Sie verrammelten die Tür und suchten nach einer Möglichkeit, sich zu verstecken. Da klirrte eine Scheibe, und der Kopf eines Verfolgers schob sich durch das Loch im von Scherben gespickten Rahmen. Lange wilde Haare – Seppuku.
    »Da seid ihr ja, ihr lieben Kinderchen. Hat der Sandmann euch übersehen? Diesen Fehler werden wir schnell korrigieren. Seid brav und kommt raus. Ich bin die böse Knusperhexe und backe euch in meinem Ofen, wenn ihr nicht folgsam seid.«
    Eliane rümpfte die Nase. »Geh mal lieber duschen, du stinkst wie ein Schwein!«
    Mit einem irren Kichern schnellten seine Arme hervor und packten sie. Eliane schrie erschrocken auf und riss sich los. Jonathan fand eine Tür, stieß sie auf und zog Eliane hinter sich her. Als sie das Haus verließen, wurden sie bereits von mehreren Männern erwartet, die sich mit grimmigen Mienen auf sie stürzten. Jonathan schubste zwei von ihnen zur Seite und rannte, so schnell er konnte, ohne Eliane loszulassen. Sie hielt mühelos mit ihm Schritt.
    »Hier runter!«, schrie sie.
    Jonathan folgte ihr blind und stolperte einen Abhang hinab. Sie fielen in den Schnee und rutschten ungebremst in die Tiefe. In Panik wollte er an Steinen und Ästen Halt finden. Aus dem Augenwinkel konnte er zwei Männer sehen, die ihnen folgen wollten und dabei ungelenk gegen Bäume prallten. Ihre Kameraden waren schlauer und nahmen die Straße, die in weitem Bogen um den Hang herumführte. Ihr Gebrüll zerriss die Stille der Nacht.
    »Da unten, die Kinder …«
    »Das ist der Junge …«
    »Fangt ihn ein, verdammt noch mal …«
    Ein Straßengraben stoppte ihre Schlittenfahrt.

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