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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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schnell seinen Reiz. Und was die komischen Zeremonien, Umzüge und Feste anbelangt...« Sie zuckte die Achseln. »Ich hasse sie.«
    Arabella verstand sie nicht ganz, glaubte jedoch, dass es vielleicht nützlich wäre, herauszufinden, wer die junge Frau eigentlich war, und fragte sie nach ihrem Namen.
    »Ich bin Lady Pole.«
    »Oh! Aber natürlich!«, sagte Arabella und wunderte sich, warum ihr das nicht schon früher in den Sinn gekommen war. Sie nannte Lady Pole ihren Namen und erzählte, dass ihr Mann mit Sir Walter Geschäftliches zu besprechen habe und sie ihren Mann begleitet habe.
    Plötzliches lautes Gelächter drang aus der Bibliothek zu ihnen.
    »Eigentlich sollten sie über den Krieg reden«, sagte Arabella zu Ihrer Ladyschaft, »aber entweder ist der Krieg plötzlich viel unterhaltsamer geworden oder – und das scheint mir wahrscheinlicher – sie haben die Geschäfte erledigt und klatschen jetzt Klatschgeschichten über Bekannte. Vor einer halben Stunde noch konnte Mr. Strange an nichts anderes als seine nächste Verabredung denken, aber ich nehme an, dass Sir Walter ihn abgelenkt hat, und jetzt hat er sie vermutlich völlig vergessen.« Sie lächelte vor sich hin, wie Ehefrauen es tun, wenn sie vorgeben, ihre Männer zu tadeln, tatsächlich jedoch stolz auf sie sind. »Ich glaube, er ist wirklich der am leichtesten abzulenkende Mensch auf der Welt. Mr. Norrells Geduld wird bisweilen stark auf die Probe gestellt.«
    »Mr. Norrell?«, sagte Lady Pole.
    »Mr. Strange hat die Ehre, Mr. Norrells Schüler zu sein«, sagte Arabella.
    Sie erwartete, dass Ihre Ladyschaft mit einem Lob für Mr. Norrells außergewöhnliche zauberische Fähigkeiten oder mit Worten des Danks für seine Freundlichkeit antworten würde. Aber Lady Pole schwieg, und deshalb fuhr Arabella in aufmunterndem Tonfall fort: »Selbstverständlich haben wir viel von der wunderbaren Zauberei gehört, die Mr. Norrell für Ihre Ladyschaft vollbracht hat.«
    »Mr. Norrell war mir kein Freund«, erwiderte Lady Pole in trockenem sachlichem Tonfall. »Ich wäre lieber tot, als dieses Leben zu führen.«
    Das war eine so schockierende Aussage, dass Arabella erst einmal nichts einfiel, was sie darauf hätte entgegnen können. Sie hatte keinen Grund, Mr. Norrell zu mögen. Er hatte ihr nie irgendeine Freundlichkeit erwiesen; im Gegenteil, er hatte bei mehreren Gelegenheiten keine Mühe gescheut, ihr zu zeigen, wie wenig er sie achtete, aber er war neben ihrem Mann der einzige andere Vertreter seines Berufsstandes. Wie die Frau eines Admirals immer für die Kriegsmarine eintreten oder die Frau eines Bischofs die Kirche verteidigen wird, fühlte sich Arabella verpflichtet, den anderen Zauberer in Schutz zu nehmen. »Schmerz und Leiden sind die allerschlimmsten Weggefährten, und Ihre Ladyschaft wird ihrer herzlich überdrüssig sein. Niemand könnte Ihnen den Wunsch verübeln, sie loszuwerden.« (Aber während Arabella noch so sprach, dachte sie: »Merkwürdig, aber sie sieht nicht krank aus. Überhaupt nicht.«) »Aber wenn stimmt, was ich höre, dann wird Ihrer Ladyschaft in ihrem Leiden doch ein großer Trost zuteil. Ich muss gestehen, dass Ihr Name nie erwähnt wird, ohne dass ihm Worte des Lobs für Ihren treu ergebenen Mann beigefügt werden. Gewiss würden Sie ihn nicht frohen Herzens verlassen? Ihre Ladyschaft, Sie müssen Mr. Norrell doch ein wenig dankbar sein – und wenn es nur um Sir Walters willen ist.«
    Lady Pole gab ihr keine Antwort darauf; stattdessen begann sie Arabella über ihren Mann auszufragen. Seit wann zauberte er? Seit wann war er Mr. Norrells Schüler? Zauberte er in der Regel erfolgreich? Betrieb er die Zauberei auch allein oder nur unter Mr. Norrells Anleitung?
    Arabella beantwortete die Fragen, so gut sie konnte, und fügte hinzu: »Wenn es etwas gibt, was ich Mr. Strange in Ihrem Namen fragen soll, wenn es einen Dienst gibt, den er Ihnen erweisen kann, so brauchen Sie es nur zu sagen.«
    »Danke. Aber was ich Ihnen zu sagen habe, betrifft Ihren Mann genauso wie mich. Ich denke, Mr. Strange sollte erfahren, welchem schrecklichen Schicksal Mr. Norrell mich überlassen hat. Mr. Strange sollte wissen, mit was für einem Menschen er es zu tun hat. Werden Sie es ihm erzählen?«
    »Selbstverständlich. Ich...«
    »Versprechen Sie es mir.«
    »Ich werde Mr. Strange alles erzählen, was Sie wünschen.«
    »Ich möchte Sie jedoch warnen, dass ich viele Versuche unternommen habe, den Menschen von meinem Unglück zu erzählen, und

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