Jonathan Strange & Mr. Norrell
VON STOKESEY, CATHERINE OF WINCHESTER und, vor allem, JOHN USKGLASS. MARTIN PALE war ein ergebener Anhänger dieser Zauberer. Zeit seines Lebens bedauerte er, dass er zweihundert Jahre zu spät geboren wurde.
Das ungewöhnlichste Merkmal des Wiederauflebens der englischen Zauberei war ihr Umgang mit JOHN USKGLASS. Sein Name wird, so scheint es, heute nur noch benutzt, um ihn zu schmähen. Das ist so, als würden Mr. DAVY und Mr. FARADAY und all unsere anderen großen Naturwissenschaftler sich bemüßigt fühlen, ihre Vorlesungen mit der Beteuerung ihrer Verachtung und Abneigung gegen ISAAC NEWTON zu beginnen. Oder als würden unsere ehrwürdigen Ärzte jeder Ankündigung einer neuen medizinischen Entdeckung die Schilderung von WILLIAM HARVEYs Verruchtheit voranstellen.
Lord PORTISHEAD widmet ein langes Kapitel seines Buches dem Versuch zu beweisen, dass JOHN USKGLASS nicht, wie gemeinhin angenommen, der Begründer der englischen Zauberei war, da es auf diesen Inseln auch schon vor seiner Zeit Zauberer gab. Das bestreite ich nicht. Doch was ich aufs Heftigste bestreite, ist, dass es vor JOHN USKGLASS irgendeine Tradition der Zauberei in England gegeben hat.
Sehen wir uns diese früheren Zauberer, um die PORTISHEAD so viel Aufhebens macht, doch etwas näher an. Wer waren sie? JOSEPH VON ARIMATHÄA hieß einer, ein Zauberer, der aus dem Heiligen Land kam und einen Zauberbaum pflanzte, um England vor Schaden zu bewahren – aber ich habe nirgends gehört, dass er lang genug geblieben wäre, um irgendeinen Engländer in seinen Fähigkeiten zu unterrichten. MERLIN hieß ein anderer, aber da er mütterlicherseits aus Wales und väterlicherseits aus der Hölle stammte, passt er wohl kaum in das Schema der respektablen englischen Zauberei, an das PORTISHEAD, NORRELL und STRANGE ihr Herz verloren haben. Und wer waren MERLINs Schüler und Anhänger? Wir können keinen Einzigen nennen. Nein, dieses eine Mal ist die allgemein herrschende Meinung richtig: Die Zauberei war auf diesen Inseln seit langem erloschen, bis JOHN USKGLASS aus dem Elfenland kam und sein Königreich Nördliches England errichtete.
PORTISHEAD scheint an diesem Punkt selbst einige Zweifel zu hegen, und für den Fall, dass seine Argumente seine Leser nicht zu überzeugen vermögen, bemüht er sich um den Beweis, dass JOHN USKGLASS' Zauberei das Böse innewohnte. Doch die Beweise, die er anführt, sind weit davon entfernt, diese Schlussfolgerung zu unterstützen. Sehen wir uns einen näher an. Jeder hat von den vier Zauberwäldern gehört, die JOHN USKGLASS' Hauptstadt Newcastle umgaben. Sie hießen Großer Tom, Asmodis Zitadelle, Klein-Ägypten und Serlos Segen. Sie bewegten sich von einem Ort zum nächsten und haben gelegentlich, so heißt es, Leute verschluckt, die sich der Stadt in der Absicht näherten, ihren Bewohnern Schaden zuzufügen. Natürlich kommt uns die Vorstellung eines Menschen fressenden Waldes grausam und schrecklich vor, doch es gibt keinen Hinweis darauf, dass JOHN USKGLASS' Zeitgenossen das auch so sahen. Es war ein gewalttätiges Zeitalter; JOHN USKGLASS war ein mittelalterlicher König, und er verhielt sich so, wie man es von einem mittelalterlichen König erwartet, der seine Stadt und seine Bürger schützt.
Es ist häufig schwierig, USKGLASS' Taten moralisch zu beurteilen, weil seine Motive so undurchsichtig sind. Von allen AUREATISCHEN Zauberern ist er der geheimnisvollste. Niemand weiß, warum er im Jahr 1138 den Mond vom Himmel verschwinden und durch sämtliche Seen und Flüsse Englands ziehen ließ. Wir wissen nicht, warum er sich im Jahr 1202 mit dem Winter stritt und ihn aus seinem Königreich verbannte, so dass das Nördliche England einen vier Jahre währenden Sommer erlebte. Genauso wenig wissen wir, warum im Mai und im Juni 1345 jeder Mann, jede Frau und jedes Kind im Königreich dreißig Nächte hintereinander träumten, man habe sie auf einer dunkelroten Ebene unter einem blassgoldenen Himmel versammelt, um einen großen schwarzen Turm zu bauen. Sie schufteten jede Nacht und wachten morgens völlig erschöpft in ihren Betten auf. Der Traum hörte erst auf, sie zu peinigen, als nach der dreißigsten Nacht der Turm und seine Befestigungsanlage vollendet waren. In all den Geschichten – besonders in der letzten – spüren wir, dass sich große Dinge ereignen, aber wir können nicht sagen, worum genau es sich dabei handelt. Einige Gelehrte haben vermutet, dass der große schwarze Turm sich in dem Teil der Hölle befand,
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