Jones, Diana Wynne
angelächelt«, sagte Entchen.
Jay sah mich an und räusperte sich. »Sie ist ein wenig zu jung für meinen Geschmack.«
»Nicht die, du Dummkopf! Die andere«, sagte Hern.
»Ich lächle häufig Mädchen an«, entgegnete Jay und grinste breit. »Ab und zu blinzle ich sogar einer Heidin zu. Das haben sie irgendwo aufgeschnappt, Majestät«, wandte er sich an den König. »Irgendeine arme Seele hat es ihnen unter der Folter verraten.«
»So muss es sein«, stimmte unser König ihm zu.
Da überfiel mich solche Furcht, dass mir nur noch eine Möglichkeit einfiel, den König davon zu überzeugen, dass ich keine Heidin bin. »Ich werde dir beweisen, dass wir keine Heiden sind. Schau: Das ist einer unserer Unvergänglichen.« Ich zog den Jüngling aus meinem Hemd und hielt ihn dem König vor.
Der König blinzelte mir zu. »Eine Diebin bist du also auch noch?«
»Nein, nein!«, rief ich. »Die Heiden haben keine Unvergänglichen. Wir haben nicht nur den Jüngling, sondern auch die Dame.« Entchen sah mich finster an und schüttelte den Kopf, aber ich redete trotzdem weiter. »Der Größte unserer Unvergänglichen ist der Eine. Ich kann ihn dir nicht zeigen, weil er momentan im Feuer liegt – er muss immer dann ins Feuer, wenn das Hochwasser sinkt –, aber bitte glaub mir doch!«
»Eine hübsche Geschichte«, sagte der Mann, der Jay hieß.
Doch unser König beugte sich vor. Neugierde funkelte aus seinen Augen, und er lächelte kaum noch. Ich habe ihn nie ganz ohne Lächeln im Gesicht gesehen. »Dieser Eine, den ihr habt«, sagte er. »Welche Farbe hat er?«
Hern und Entchen sahen mich warnend an, doch ich antwortete, als könnte ich nicht aufhören. »Dunkel, mit funkelnden Fleckchen, aber – «
»Tanaqui, halt den Mund!«, sagte Entchen.
»… aber wenn er ins Feuer geht, wechselt er die Farbe.«
Unser König gebot Entchen mit einer Handbewegung, er möge schweigen. Dann beugte er sich zu mir vor und verlangte: »Nenne mir seine geheimen Namen.«
»Aber sie sind geheim«, erwiderte ich. Großes Entsetzen überkam mich nun, doch es war wie bei den Stromschnellen am Durchlass des Sees: zu spät, um noch umzukehren.
»Komm her und sage sie mir ins Ohr«, gebot mir der König.
Ich schäme mich, es zu weben, aber ich habe ihm gehorcht. Ich ging zu unserem König – er roch nach Schweiß, nach Pferd und ein ganz klein wenig nach Gewürznelken – und flüsterte: »Er wird Adon und Amil und Oreth genannt.« Damit beging ich einen Frevel am Einen, doch damit nicht genug, als der König weiter in mich drang, fehlte ich den Einen noch mehr: Ich verriet dem König, dass der Eine sich auf unserer Insel befinde, wo auch Robin sei, die wir krank zurückgelassen hatten. Und trotz aller düsteren Blicke, die Hern und Entchen mir zuwarfen, beschrieb ich ihm, wo unsere Insel lag.
Der König lehnte sich zurück und sah Jay und die anderen, die nahe bei ihm standen, mit gerunzelter Stirn an. »Nun, was haltet ihr davon?«
»Da drüben ist ein Nest von Heiden«, sagte einer von ihnen. »Kommt mir vor wie die ideale Falle.«
»Das meine ich auch«, stimmte der König ihm zu. »Aber sagen wir mal, Neugier ist der Tod der Könige. Oder dass jemand letzten Herbst in Iglingen einen Schnitzer begangen hat. Jay… Ach, ich vergaß. Schaffst du es einhändig?«
»Und wenn man mir die verbliebene Hand auf den Rücken bindet«, antwortete Jay.
»Gut«, sagte der König. »Dann binde dir die Hand fest, nimm dir zehn Mann und das beste Boot – und den älteren Jungen, würde ich sagen. Lass dir die Stelle zeigen. Bring alles mit, was du dort findest.«
»Ich bin froh, dass du mich ausgesucht hast«, sagte Hern. Er betrug sich sehr unhöflich, weil er wütend auf mich war. »Ich hätte dich sonst bitten müssen, mich zu schicken. Ich bin das Familienoberhaupt, und deshalb darf nur ich den Einen aus dem Feuer nehmen.«
»So seltsam es klingt, aber das dachte ich mir«, entgegnete ihm unser König. »Und ich dachte auch, die beiden anderen bleiben als Pfand bei mir, damit du dich gut benimmst. Abmarsch, Jay!«
Meine Strafe bestand darin, dass ich nicht sah, wie der Eine aus dem Feuer genommen wurde. Der König lagerte gleich auf der Höhe unserer Insel am gegen überliegenden Ufer. Entchen und ich mussten zwei Stunden warten, während Jay den Strom überquerte und wiederkam. Wir setzten uns derweil auf eine Sanddüne und sahen dem geschäftigen Treiben der Mannen des Königs zu. Ihre bunten Zelte waren in gutem Zustand, aber
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