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Jones, Diana Wynne

Jones, Diana Wynne

Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 02 Die heiligen Inseln
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Zwischenfall am Hafen so tatkräftig sein und sich nun wieder derart hängen lassen? Falls er tatsächlich noch immer um Mutter trauerte, bemitleidete Hildy ihn überhaupt nicht. So ging es schon viel zu lange!
    »Vater.«
    Navis zuckte leicht zusammen. »Habe ich vergessen, meine Tür abzuschließen?«
    »Ich gehe gleich wieder fort«, beruhigte Hildy ihn. »Trauerst du um Großvater?«
    »Nun…«, antwortete ihr Vater. »Er war schon sehr alt.«
    Hildy dachte ärgerlich, dies sei wohl keine Antwort auf ihre Frage. Sie überlegte, ob sie ihm schmeicheln sollte, indem sie sagte, dass er sich in ihren Augen am Hafen außerordentlich tapfer verhalten habe. Doch nicht nur darum ging es. Es wäre auch unwahr gewesen, und zudem bezweifelte sie, Navis damit aufrütteln zu können. »Ich bin gekommen, um dich zu fragen«, sagte sie, indem sie die Worte zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorquetschte, so wütend war sie, »ob ich Lithar noch immer heiraten muss.«
    »Was soll diese Frage denn jetzt?«
    Hildy zwang sich zu Geduld. »Großvater hat die Verlobung geschlossen«, sagte sie. »Aber ich möchte Lithar nicht heiraten. Würdest du die Verlobung also bitte rückgängig machen?«
    Navis blickte in sein Buch, als würde er sich viel lieber damit beschäftigten als mit Hildy. »Ich fürchte, du würdest zur Antwort bekommen, dass das Bündnis heute wertvoller ist denn je.«
    »Was soll das heißen? Du kannst sie nicht rückgängig machen?«, wollte Hildy wissen.
    »Ich bezweifle es.«
    »Ist es dir denn egal?«
    »Ich fürchte, ja«, gab Navis zu. »Im Augenblick ist alles derart in Aufruhr …«
    Hildy verlor die Beherrschung. »Ihr Götter! Hier ist wirklich jedem alles egal! Und du bist der Schlimmste von allen! Nach allem, was passiert ist, sitzt du bloß hier rum, und es ist dir sogar egal, dass niemand auch nur weiß, ob heute Abend ein Festessen ist oder nicht!«
    »Das wissen die Leute nicht?«, fragte Navis überrascht. »Hör zu, Hildy, im Augenblick kann man nichts tun als herumsitzen. Es tut mir sehr Leid …«
    »Dir tut gar nichts Leid!«, schrie Hildy. »Aber ich werde dafür sorgen, dass es dir wirklich Leid tut! Wart’s nur ab!« Sie fuhr herum und stürzte zur Tür.
    »Hildy!«, rief Navis ihr nach. Sie drehte sich um und bemerkte, wie merkwürdig unruhig er dreinblickte. »Hildy, sorgst du bitte dafür, dass Ynen und du dort sind, wo ich euch schnell finden kann?«
    »Warum?«, fragte Hildy von oben herab.
    »Es könnte sein, dass ich euch sehr rasch brauche.«
    Das war dermaßen unwahrscheinlich, dass Hildy nur verächtlich schnaubte und durch die Räume ihres Vaters polterte, indem sie jede Tür hinter sich so fest zuschmiss, wie sie nur konnte. Sie war so zornig und so entschlossen, es Navis heimzuzahlen, dass sie in blinder Wut fortstürmte und sich schließlich auf der Galerie vor den Räumen ihres Onkels Harl wiederfand, ohne die leiseste Ahnung zu haben, wie sie dorthin gelangt war. Erst als sie ihren Basen Harilla und Irana über den Weg lief, kam sie wieder zur Besinnung. Die beiden eilten ihr entgegen. Harillas Gesicht war von ihrem jüngsten hysterischen Anfall noch immer rot gestreift, Irana war durchgehend rot angelaufen.
    »Wenn du dorthin willst, wo ich glaube«, sprach Irana sie an, »dann sage ich dir gleich, es hat keinen Sinn. Was sind das für zwei Ekel!«
    »Ich wäre lieber tot!«, keuchte Harilla und brach in Tränen aus. Irana führte sie weg.
    Hildy fragte sich, was nun schon wieder mit ihnen los war. Als sie die Posten vor den Räumen ihres Onkels stehen sah, vermutete sie, dass Harl sich wohl geweigert hatte, sie zu empfangen. Sie marschierte auf die Soldaten zu, bereit für den Kampf. Doch diese traten höchst respektvoll beiseite, und einer öffnete ihr die Tür. Verwirrt ging Hildy in den Vorraum. Die Diener darin verbeugten sich. Aus dem Zimmer dahinter hörte sie die Stimme ihres Onkels Harl.
    »Ich sage dir doch, ich schulde dem Kerl einen Gefallen! Schließlich hat er den alten Haddock abgemurkst, nicht wahr? Lass ihn entkommen.«
    »Sei kein Esel, Harl!«, fauchte Onkel Harchad ihn an.
    »Und richte ihm meinen Segen aus«, fügte Harl hinzu.
    »Hör zu, Harl. Wenn wir ihn nicht fangen…« Harchad unterbrach sich gereizt, als Hildy hereinkam.
    Harl blickte sie an und brüllte vor Lachen. Er saß sehr bequem, hatte die Schuhe ausgezogen und die Füße auf einen Sessel gelegt. Sein fleischiger Ellbogen ruhte auf einem Tisch, der mit Weinflaschen voll gestellt war.

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