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Jones, Diana Wynne

Jones, Diana Wynne

Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 02 Die heiligen Inseln
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Harl wirkte sehr fröhlich. Auf seinem rauen, aber herzlichen Gesicht stand der Schweiß, und er grinste breit. Harchad hingegen saß angespannt auf der Kante seines Stuhls und drehte unruhig ein volles Weinglas zwischen den Fingern. Er war noch blasser als sonst.
    »Haha!«, bellte Harl. »Jetzt ist es Hildrida. Damit wären sie komplett. Oder haben wir etwa noch mehr, Harchad? Töchter und Nichten und so, meine ich.«
    »Nein«, antwortete Harchad. Er schien es nicht besonders witzig zu finden. »Wenn es dir nichts ausmacht, Hildrida, wir haben wichtige Angelegenheiten zu besprechen. Wenn du etwas zu sagen hast, so sag es schnell, und dann gehst du wieder.«
    Hildy starrte ihre Onkel an. Bislang hatte sie ihren Onkel Harl nie sonderlich beachtet. Er war immer ein träger, nüchterner, stiller Mensch gewesen – und unglaublich durchschnittlich. Nichts, was er sagte oder tat, war je bemerkenswert. Nun aber war Onkel Harl betrunken, betrunkener noch als die Soldaten, wenn sie nach durchzechter Nacht in den Palast zurückkehrten. Und Harl ertränkte keineswegs seinen Kummer, er feierte. Onkel Harchad trauerte nicht mehr um Großvater als Harl. Aber er hatte Angst: Er war stocksteif vor Angst, er könnte als Nächster erschossen werden.
    Trunken deutete Harl mit dem Finger auf Hildy. »Frag es nicht. Wir wissen es alle. Die anderen haben es auch schon gefragt.« Mit hoher, quiekender Stimme sagte er: »›Bitte, lieber Onkel, hebst du wohl meine Verlobung auf?‹ Wem ist sie versprochen?«, fragte er Harchad.
    »Lithar«, antwortete Harchad. »Heilige Inseln. Und die Antwort lautet nein, Hildrida. Wir benötigen jeden Verbündeten, den wir bekommen können.«
    »Also ist das keine gute Frage«, sagte Harl. Er hob die Füße und winkte Hildy zu, indem er mit seinen Zehen wackelte. Dabei machten sie eigenartige Knacklaute.
    Hildys Wut loderte wieder auf. »Da irrst du dich aber«, sagte sie hochmütig. »Ich wollte nicht fragen. Ich wollte es dir sagen. Ich werde weder Lithar heiraten noch irgendjemand anderen, den du mir auszuwählen versuchst. Damit ist es mir ernst, und zwingen kannst du mich nicht.«
    Ihre Onkel blickten sich an. »Es ist ihr ernst, und wir können sie nicht zwingen«, sagte Harl. »Die musste ja anders sein. Navis ist ihr Vater.«
    »Ich fürchte, du wirst feststellen, dass der Irrtum auf deiner Seite liegt, Hildrida«, sagte Harchad. »Wir können dich sehr wohl zwingen, und das werden wir auch.«
    »Ich werde mich weigern«, entgegnete Hildy. »In jeder Hinsicht. Dagegen könnt ihr gar nichts tun.«
    »Sie wird sich in jeder Hinsicht weigern«, sagte Harl.
    »Das wird sie nicht«, sagte Harchad.
    »Wenn sie will, kann sie es tun«, sagte Harl. »Aber sie wird sowieso ferngetraut. Schließlich kann niemand von Lithar erwarten, dass er die lange Reise hierher auf sich nimmt. Du willst dich weigern?«, sagte er zu Hildy. »Dann weigere dich, so viel du willst, wenn es dich glücklich macht. Uns stört es nicht weiter.« Wieder wedelte er mit den Zehen vor Hildy, und wieder knackten sie. Harl war beeindruckt. »Hast du das gehört, Harchad? Das Geräusch kam von meinen Zehen. Ich möchte mal wissen, warum sie das tun.«
    Hildy biss die Zähne zusammen, sonst hätte sie ihn angeschrien. »Lithar stört es vielleicht, wenn ich mich weigere.«
    Harl lachte schallend, und ein Lächeln überflog Harchads Gesicht. »Na, aber das lässt er dann schließlich an dir aus, nicht wahr?«, fragte Harl. »Ich brauche mir darum keine Gedanken zu machen!« Er lehnte sich zurück und grinste.
    »Also schön«, sagte Hildy. »Behauptet später nicht, ich hätte euch nicht gewarnt.« Sie wirbelte herum und rauschte davon, den Rücken sehr gerade, das Kinn erhoben. Mit aller Willenskraft hielt sie ihre Tränen zurück, bis sie an den Dienern und den Soldaten vorbei war. Dann ließ sie ihnen freien Lauf und rannte los. Sie rannte, um möglichst schnell Ynen zu finden. Im ganzen Palast war er der einzige nette Mensch.
    Doch sie konnte ihn nicht finden. Sie wischte sich die Tränen mit dem Ärmel ab und suchte grimmig nach ihm, vom Dach bis in die Küchen. Die Köche fluchten. Hildy entdeckte, dass Navis sich immerhin aufgerafft hatte, das Festessen abzusagen. Sie war zorniger denn je. Wenn sie bedachte, dass von allen Dingen, die sie zu ihm gesagt hatte, dies das Einzige war, um das er sich kümmerte! Am liebsten hätte sie in etwas hineingebissen oder es zerfetzt. Während sie in ihr Zimmer stürmte, überlegte sie, ob

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