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Jones, Diana Wynne

Jones, Diana Wynne

Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 02 Die heiligen Inseln
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glaubt, ich trau mich nicht«, sagte Mitt. »Aber das würde ich. Denn zufällig bin ich verzweifelt.« Das klang gut. Außerdem stimmte es, das war ein Vorteil. Mitt begann sich zu amüsieren. »Wenn du mich nicht nach Norden bringst«, sagte er, »dann bringe ich dich nicht um. Ich schieße dir nur eine Kugel ins Bein. Vielleicht in beide Beine.« Er freute sich sehr über den sengenden Blick, mit dem Hildy ihn bedachte. »Und dann mache ich das Gleiche bei ihr«, fuhr er fort. »Und dann könnte ich mir noch einen Spaß mit dem Boot machen – ich könnte hier die schöne Farbe abkratzen, alberne Bildchen in die Decksplanken schnitzen und so weiter.«
    Wie Mitt gehofft hatte, setzte diese Drohung Ynen sehr zu. »Wag es bloß nicht, mein Boot anzurühren, du Gossenbengel!«
    »Er weiß es nicht besser«, sagte Hildy.
    »Dachte ich mir doch, dass dir das nicht gefällt«, sagte Mitt höhnisch. »Und um mich davon abzuhalten, brauchst du nur weiterzumachen wie bisher. Fahr einfach nach Norden.«
    Ynen und Hildy tauschten einen gequälten Blick. Im Laufe weniger Sekunden hatte sich ihr grenzenloses Glück in einen Albtraum verwandelt. Hildy fragte sich, was sie nur geritten habe, Ynen in diese Lage zu bringen. Sie hatte doch gewusst, dass Aufständische unterwegs waren. Sie hätten im Palast bleiben sollen. Ynen musste ständig an die Strömung denken und überlegte krampfhaft, wie er den fremden Jungen überzeugen sollte, dass die Straße des Windes einfach nicht die weite Reise in den Norden machen könne.
    »Hör doch zu«, sagte Ynen und versuchte dabei, gerecht und vernünftig zu klingen. »Wir können nicht nach Norden. Wir müssen heute Abend wieder in Holand sein, sonst machen sich unsere Verwandten Sorgen. Was sagst du dazu, wenn wir dich auf dem Rückweg irgendwo absetzen würden? Wie wär’s mit…«
    Ynen blickte aufs Land und konnte nicht anders, er fühlte sich sehr unbehaglich, so unvertraut waren ihm die Umrisse. »Kap Hoe?«, fragte er zweifelnd.
    Mitt stieß ein, wie er hoffte, boshaftes Gelächter aus. »Nur weiter so! Und wenn ihr auf der Stelle kehrtmachen würdet, ihr kämt heute nicht mehr nach Holand zurück! Ihr fahrt auf einer hübsch schnellen Nordströmung, und bei dem Wind hättet ihr Glück, wenn ihr es bis zum Morgen zurückschaffen würdet. Am Kap Hoe beginnt die Strömung, und Kap Hoe ist das da hinten, du Anfänger! Guck doch auf deine Karte, wenn du mir nicht glaubst.« Er sah, dass er sie entmutigt hatte. Ynens Gesicht war heiß und rosa angelaufen, und Hildy schaute drein, als wäre das Ende der Welt gekommen. Mitt war so erfreut, dass er hinzufügte: »Ich bin schon von Holand ausgelaufen, da wart ihr noch gar nicht geboren.« Das war ein Fehler. Hildy bedachte ihn mit einem spöttischen Blick, und Mitt funkelte sie an. »Fahrt einfach nach Norden, und macht mir keinen Ärger«, sagte er. »Dann tue ich euch nichts. Noch gerechter geht’s doch wohl kaum, oder?«
    Hildy seufzte, um ihre Gedanken zu verbergen. So unangenehm dieser Junge war, seine Prahlerei war wohlbegründet. Dem Ausdruck in Ynens Gesicht zufolge hatte er Recht, was die Strömung anging. Trotzdem bedeutete es noch lange nicht, dass er wirklich an alles gedacht hatte. »Ich glaube, wir tun ihm lieber den Gefallen, Ynen«, sagte sie. Dabei blickte sie Ynen zwingend an, schloss langsam die Augen und öffnete sie wieder, um ihm anzudeuten, dass der Junge schließlich irgendwann schlafen müsse.
    Das wusste Mitt selber. Auch ein flinkes Boot wie die Straße des Windes brauchte drei bis vier Tage, um nord-dalemarkische Gewässer zu erreichen. Niemand konnte so lange wach bleiben. Mitt fühlte sich jetzt schon todmüde. Er sah keinen anderen Weg, als diese reichen Kinder restlos einzuschüchtern, indem er sich so rau, gefährlich und brutal gab, wie er nur konnte. Jedenfalls schien er sich sehr gut eingeführt zu haben. Während Ynen Hildy ernst zunickte, um ihr zu zeigen, dass er verstanden habe, brüllte Mitt: »Na gut. Wir sind uns also einig, also geht jetzt und holt, was ihr an Essbarem da habt. Ich verhungere. Beeilt euch!«
    Hildy sah ihn giftig an. Andererseits war es Zeit fürs Abendbrot, und sie hatte selber Hunger. Sie stand auf und holte einen der Säcke mit Backwerk aus dem Deckskasten. Ynen holte tief Luft und hoffte dabei, nicht den letzten Atemzug getan zu haben, dann sagte er: »Mir wäre es recht, wenn du mit meiner Schwester nicht in diesem Ton sprechen würdest.«
    »Was hat sie denn getan, um etwas

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