Jordan, Penny
herein, als seine Mutter den Tee servierte. Richard musste die Tassen herumreichen, und die beiden Vettern wechselten einen Blick.
Jessica hatte Morris schon früher kennengelernt. Sie fand ihn langweilig und uninteressant, wusste jedoch, dass ihr Vater in ihm einen geeigneten Schwiegersohn sah.
Nach dem Abendessen gab David Morris einen zarten Hinweis auf die Pläne der Eltern. „Jessica kennt keine jungen Leute in England“, sagte er zu seinem Sohn, während Anna der Familie den Garten zeigte. „Ich möchte, dass du sie während ihres Aufenthaltes hier ausführst.“
Richard begriff augenblicklich, was sein Onkel damit bezweckte, und seine Eifersucht, die er stets sorgfältig verbarg, regte sich erneut. Morris, der künftige Erbe der Howell-Bank, sollte die Möglichkeit bekommen, ein Mädchen zu heiraten, das noch reicher war als er!
Richard wusste, worauf es im Leben ankam. Hätte sein Vater geheiratet, wie seine Familie es gewünscht hatte, wäre sein Leben anders verlaufen.
Die Liebermans kehrten zum Haus zurück, und er öffnete die Flügeltüren für sie. Als sein Onkel ihm später vorwarf, er habe von Anfang an bewusst versucht, Jessica zu verführen, stritt er es ab.
Das entsprach der Wahrheit. Er hatte nicht erwartet, so weit gehen zu müssen. Aber Jessica wollte nicht heiraten – und genau das hatte er mit ihr vor.
Trotz ihres Aufenthalts in Vassar war Jessica noch Jungfrau. Sie war zu reserviert, zu selbstbeherrscht, um besonders reizvoll auf ihre gelegentlichen Bekannten zu wirken. Ihre zurückhaltende Art stieß die Männer ab. Weshalb sollten sie sich mit den Jessica Liebermans dieser Welt abmühen, wenn so viele andere Mädchen ihnen bereitwillig gaben, was sie wollten.
Jessica mied junge Männer, die ihr den Hof machten, wie die Pest, denn sie wusste, dass alle auf eine Ehe mit ihr aus waren. Sie wollte jedoch ihre Unabhängigkeit behalten und das Recht, über ihr Leben und den Treuhandfonds selbst zu bestimmen.
Doch sogar vernunftbedachte junge Frauen werden manchmal ein Opfer ihrer Hormone. Erschrocken stellte Jessica fest, dass sie in einer Weise auf Richard Howell reagierte, von der sie zwar häufig träumte, bei sich selbst jedoch nicht für möglich gehalten hätte.
Er wolle mit ihr schlafen, sie die ganze Nacht lieben, sie küssen und jeden Zentimeter ihres Körpers erforschen, sagte er zu ihr im dunklen Schatten des Gartens, und Jessica wollte es ebenfalls. Mehr als alles in der Welt wünschte sie sich eine kurze, heftige, leidenschaftliche Affäre, die nur einen Sommer dauerte.
Genau dies wollte Richard nicht. Als er merkte, was Jessica vorhatte, änderte er seine Taktik sofort. Er hielt sie derart frustrierend auf Abstand, dass sie keinen Einwand erhob, als er am Ende des Lieberman-Besuchs schließlich vorschlug, zu ihr ins Hotelzimmer zu kommen. Ihre Eltern wollten zu dieser Zeit ausgehen und mit den Howells zum Dank für die genossene Gastfreundschaft gemeinsam zu Abend essen.
Richard hatte dafür gesorgt, dass das Essen früher beendet war, als Jessica und das Ehepaar Lieberman annahmen. Er hatte einen jungen Mann bestochen, mitten am Abend die Alarmanlage auszulösen, sodass sein Onkel von der Polizei verständigt werden musste. Die Liebermans kehrten gerade rechtzeitig zurück, um Jessicas kehlige Lustschreie zu hören.
Natürlich mussten sie sofort heiraten. Richard spielte seine Rolle ordentlich zu Ende. Er gab sich zerknirscht und schuldbewusst, behauptete aber standhaft, dass er Jessica liebe und sie heiraten wolle.
Jessica kämpfte wie eine Wilde gegen die Anweisung der Eltern, erreichte aber nichts. „Natürlich müsst ihr heiraten, begreifst du das nicht?“, fragte ihre Mutter.
Die Hochzeit fand in London statt und wurde ein glanzvolles Ereignis. Das Gesicht der Braut war ebenso weiß wie ihr Kleid, und ihr Mund war verbittert zu einer schmalen Linie zusammengepresst.
Jessica machte sich keine Illusionen. Sie wusste genau, weshalb Richard mit ihr geschlafen hatte. Sie wunderte sich nur, warum sie es selbst gewollt hatte.
Dan Lieberman war über die Dummheit seiner Tochter verärgert. Sie hätte den Erben der Bank heiraten sollen und nicht dessen Vetter. David Howell war wütend auf Richard, sagte aber nichts. Er machte Morris nur darauf aufmerksam, dass ihm sein Vetter die künftige Braut vor der Nase weggeschnappt hätte.
„Richard liebt sie doch, Dad“, wehrte Morris ab.
Er wollte einfach nicht glauben, dass Richard vermutlich keinen Pfifferling für
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