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Josef und Li: Roman (German Edition)

Josef und Li: Roman (German Edition)

Titel: Josef und Li: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Vovsova
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Gebüsch. Es erwies sich als ein idealer Ort. Sie konnten durch die Zweige beobachten, was ein Stück weiter vorne vor sich ging und hörten gleichzeitig jedes Wort.
    »Ich könnt wetten, dass die hier waren!« Helena schaute sich um und rümpfte ein wenig die Nase, wie ein Hund, der Witterung aufnimmt. Der Wind drehte aber gerade rechtzeitig, sodass sie statt Josef und Li den Hackbraten, der gerade in einem Hochhaus auf der Nordseite gebraten wurde, wahrnahm.
    »Quatsch. Bestimmt hockt er zu Hause und heult«, sagte Hnízdil.
    »Und sie kümmert sich bestimmt um seine Wehwehchen«, fügte Máchal spöttisch grinsend hinzu.
    Helena nahm den Schlüssel, holte das Kistchen heraus, öffnete es und kontrollierte dessen Inhalt.
    »Alles in Ordnung«, sagte sie und es klang ein wenig enttäuscht. Das Tigerkrallen-Spiel wäre nämlich viel spannender, wenn Josef sich wenigstens ein bisschen dafür interessieren würde. Helena richtete ihren Blick wieder ins Innere des Gartens und Josef und Li wagten nicht, zu atmen.
    »Wir sollten aber trotzdem das Versteck wechseln.«
    »Helena hat Recht, Jungs«, sagte Šíša und Máchal und Hnízdil tauschten untereinander Blicke. Šíša ging ihnen auf die Nerven, wie er sich abmühte, Helena zu gefallen – er hatte immer noch keinen Kassettenrekorder mitgebracht, und indem er sich bei Helena einschmeichelte, versuchte er so den Posten des Stellvertreters zu bekommen.
    »Und ich hab auch schon ein neues!«, rief er und rannte zu der hohen Linde. Mit Hilfe einer Räuberleiter kletterte er in die Baumkrone. Im zerklüfteten Stamm war ein Hohlraum und Šíša schob das Geheime Heft hinein. Helena lächelte ihn lobend an.
    »Hier findet es Josef nie im Leben, gell?!«, rief Šíša, und Josef und Li zwinkerten einander zufrieden zu.
    Und dann hörten sie nur noch Šíšas verzweifelte Rufe, die Jungs und Helena sollten doch auf ihn warten. Máchal und Hnízdil hatten nämlich beschlossen, ihm keine Räuberleiter mehr zu machen – soll er sich doch selber helfen, wenn er so schlau ist –, und waren aus dem Garten hinausgelaufen.
    »Spinnt doch nicht rum, Jungs! Wollt ihr, dass ich mir den Hals breche?«, schrie Šíša und trat hilflos mit den Beinen in die Luft.
    »Beeil dich gefälligst, sonst kriegen wir keine Fressalien mehr!«, rief ihm Helena noch zu und lief ebenfalls los.
    Šíša hielt sich krampfhaft am Ast fest und stellte sich vor, wie alle heulen würden, würde er jetzt herunterfallen und sterben. Am meisten seine Eltern, sein Opa, seine Oma und – Josef! Auch wenn er in letzter Zeit nicht sonderlich mit ihm befreundet war, so mochte er ihn von allen Jungs doch am meisten. Wäre Josef jetzt hier, so würde er ihm bestimmt helfen.
Aber Josef war nicht hier. Also er war da, aber das wusste Šíša nicht. Šíša stimmte alles so wehmütig, dass er, als er sich die Tränen abwischen wollte, die ihn an den Wangen ein wenig zu kitzeln begannen, den Ast losließ und zu Boden fiel. Und er starb kein bisschen. Jetzt bekam auch er Hunger und lief los, zu Helena, Máchal und Hnízdil.
    Josef und Li hielten sich ebenfalls nicht mehr länger im verlassenen Garten auf. Sie hatten erfahren, was sie wissen wollten, und das genügte. Doch wenn Josef geahnt hätte, was ihn zu Hause erwartete, so wäre er sicher noch ein Weilchen länger geblieben.
    Zu Hause nämlich verwandelte sich Josef in einen Sklaven. Vendula vergaß nicht, was er ihr am Fluss versprochen hatte, und sobald er in den Vorraum trat, deutete sie auf einen Haufen dreckiger, verstaubter und stinkiger Schuhe – aber entschieden weniger stinkig als Máchals Socken – und sagte: »Wenn du das erledigt hast, bist du frei.« Und dann verschwand sie wie eine hochnäsige Gräfin zu ihrer Freundin Bára ins Zimmer.
    Josef kannte einige der Sandalen, Pumps, Ballerinas und Regenstiefel gar nicht und unterstellte Bára, dass sie einige ihrer Schuhe für den Haufen beigesteuert hatte. Aber ein Paar mehr oder weniger … dachte er großzügig, denn er wusste, dass jedweder Einwand zu nichts führte, und machte sich an die Arbeit.
    Zuerst ordnete er die Schuhe der Höhe nach. Sie zogen sich wie eine Schlange durch den ganzen Vorraum, so lange er ein Paar nach dem anderen eincremte, bürstete und polierte. Die
Schildkröte setzte sich zwischen zwei Sandalen, als ob sie in der Schlange für irgendein Konzert anstehen würde, und als sie endlich an der Reihe war, wurde auch sie eingecremt und gebürstet wie ein Schuh.
    »Wo bist du bloß

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