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Josef und Li: Roman (German Edition)

Josef und Li: Roman (German Edition)

Titel: Josef und Li: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Vovsova
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mit deinen Gedanken, Mensch!« Der Vater kam gerade aus der Werkstatt und schüttelte ungläubig den Kopf.
    Er nahm Josef die Schildkröte aus der Hand und steckte sie in seiner Zerstreutheit in die Jackentasche. In dem Augenblick nämlich hörte man die freudige Stimme von Marta:
    »Ich hab’s! Ich weiß, was ich werde!«
    Marta riss Josef die Bürste aus der Hand, schnappte sich das Bein des völlig verdutzten Herrn Klička und fing an, ihm den Schuh zu putzen. »Das wird vielleicht was! So verdiene ich viel Geld!«
    Marta ging in der Rolle der Schuhputzerin voll auf. Sie wirbelte mit der Bürste herum und konnte den Mund nicht halten.
    »Ist das heute nicht ein schöner Tag, mein Herr? Aber dieser Staub, wenn es doch mal regnen würde! Das gäbe dann wiederum Matsch. Ich seh’ grad, mein Herr, Sie könnten neue Schnürsenkel vertragen. Wollen Sie neue Schnürsenkel kaufen, mein Herr?«
    »Ja, ich hätte gern ein Paar Schnürsenkel«, ging Herr Klička auf das Spiel ein, doch dann sah er Frau Kličková in der Tür.
    »Ich werde Schuhputzerin, Saschenka!«, rief Marta und wollte sich schon über die Pumps von Frau Kličková hermachen. Doch Frau Kličková wich zurück und sagte, dass sie im
Gegensatz zu anderen Leuten ihre Schuhe selber putzte und sah dabei Herrn Klička erwartungsvoll an.
    »Wenn ich für ein Paar zehn oder zwanzig Kronen kassieren und in einer Stunde zehn Paar Schuhe putzen würde, dann würde ich am Tag verdienen …« Marta rechnete sich im Geist aus, wie viel sie verdienen würde, und dann rief sie aufgeregt: »Fast zweitausend! Dass mir das nicht früher eingefallen ist! Ich kann mir dann ein Zimmer in Untermiete leisten! Vielleicht auch ein Auto! Ich steh dann endlich auf eigenen Beinen!«
    »Aber Marta, das ist doch nicht dein Ernst!?« Frau Kličková atmete ungläubig aus.
    »Du willst doch nicht Schuhe putzen, auf der Straße?! Wie irgendwo auf Kuba?!«
    »Oh doch«, sagte Marta mit felsenfester Überzeugung und es sah nicht so aus, als ob sie Witze machte. »Der Ladi macht mir so einen speziellen Putzhocker und ein Schränkchen für die Bürsten und die Schuhcreme, das machst du doch, oder, Ladi?«
    Marta lächelte Herrn Klička an. Dieser nickte ein wenig unsicher und tat so, als ob er dringend telefonieren müsste. Er holte die Schildkröte aus der Tasche und versuchte mit ihr seinen Bruder anzurufen – doch leider vergebens.
    »Und was ist mit deinen Eltern? Sie haben sich so viel von deiner Zukunft versprochen!«, drang Frau Kličková weiter auf Marta ein und zum Glück fiel ihr nicht auf, dass Herr Klička die Schildkröte mit seinem Mobiltelefon verwechselt hatte.
    »Und was würde deine Urtante Vilma dazu sagen, du weißt schon, die, die in Polička Bohuslav Martinů Französisch unterrichtet hat?«
    »Es hätte ihr gar nichts ausgemacht. Sie war kein kleinbürgerlicher Snob!«, gab Marta zurück und Frau Kličková rang nach Luft. »Das heißt also, ich bin für dich ein kleinbürgerlicher Snob?!« Herr Klička versuchte derweil, sich unauffällig aus dem Staub zu machen. Aber es war zu spät.
    »Denkst du auch, ich wäre ein kleinbürgerlicher Snob, Ladislav? «, fragte Frau Kličková Herrn Klička. Josef versuchte seinem Vater einzusagen und flüsterte ihm zu, er solle auf jeden Fall verneinen.
    »Naja, manchmal … vielleicht … ein wenig«, brachte Herr Klička endlich heraus und dachte, wie diplomatisch er doch wäre. Doch Frau Kličková fand, Herr Klička wäre überhaupt nicht diplomatisch und schlug wütend die Küchentür hinter sich zu.
    »Ich versteh das nicht! Was ist denn so schlimm am Schuheputzen? « Marta schluchzte und erbsengroße Tränen begannen ihr, über das Gesicht zu laufen.
    Frau Kličková liefen auch erbsengroße Tränen das Gesicht hinunter. Aber wahrscheinlich deshalb, weil sie gerade Zwiebeln schnitt. Und niemand nahm sie in den Arm, so wie Herr Klička Marta in den Arm nahm.
    »Ich will euch nicht zur Last fallen!«, jammerte Marta und Herr Klička sagte beschwichtigend, sie würde niemandem zur Last fallen. Aber das war nicht ganz richtig. Marta hing eben doch wie eine kleine Last an Herrn Kličkas Hals und zu alledem durchnässte sie mit ihren Tränen sein Hemd.
    »Ganz im Gegenteil, Marti, wir sind alle sehr froh, dass du bei uns bist«, sagte Herr Klička, strich ihr übers Haar und es schien, als würde Marta jeden Augenblick losschnurren.
    »Also alle ganz bestimmt nicht!«, blökte Josef und noch bevor Herr Klička etwas erwidern

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